Sandra Weihs: Das grenzenlose Und Frankfurter Verlagsanstalt

Cover Sandra Weihs

Das grenzenlose Und“ ist Sandra Weihs Debütroman. Er hat mir sehr gut gefallen und mich sowohl inhaltlich als auch sprachlich überzeugt!

Marie, 18, lebt in einem betreuten Jugendheim. Sie findet sich im Leben, in der Welt nicht zurecht. Sie kommt aus einer verkorksten Familie. Sie verletzt sich selbst, um tieferen psychischen Schmerz nicht zu spüren. Pathologisch heißt das dann Borderline-Syndrom.

„Ich kann mich nicht für Amina freuen. Sie lechzt nach Heilung und der Hoffnung, ihrer Mutter könnte es bald besser gehen. Neben den gebratenen Knödeln steht ihre Zuversicht auf einen Neubeginn mit ihrer Familie wie ein Nachtisch, ein Gustostück. Nur dass der Nachtisch aus Plastik ist. Schön anzusehen, aber eine Illusion.“

Sie liest Cioran und fühlt sich zumindest in dieser Lektüre in ihrem Empfinden bestätigt. In 3 Monaten will sie sich umbringen. Zuvor hatte sie ihrem Psychiater, den sie ganz sympathisch findet, versprochen, es ein Jahr lang nicht zu versuchen, im Gegenzug würde er sie nicht in die geschlossene Psychiatrie stecken.

„Glück existiert für mich nicht. Nur das grenzenlose Und. Gloomy Sunday, ein Kinderlachen, ein grenzenloses Und, ein Schnitt, literweise Blut.“

So erinnert sich Marie an ihren ersten Selbstmordversuch, als Emanuel, der einen unheilbaren Gehirntumor hat, sie fragt, wie es war, das halbe Sterben. Zwischen beiden entwickelt sich eine vorsichtige Freundschaft. Emanuel will nicht bis zum Schluss leiden und Marie verspricht, ihm die Angst vor dem Tod zu nehmen, unter einer Bedingung…

„Emanuel hat Angst. Dabei könnte er froh sein. Ich wäre es, hätte ich Krebs. Wenn du eine Krankheit hast, die dich vom Leben erlöst, wird das akzeptiert. Alle bemitleiden dich, trauern um dich und dein Schicksal und dabei ist es egal, ob du sterben willst oder nicht. Bringst du dich um, bist du die Dumme. Die Böse. Die Verrückte.“

Eine solche Geschichte zu erzählen, ist mutig. Die Thematik kann leicht in einem allzu dramatischen oder kitschigen Szenario enden. Sandra Weihs passiert das nicht. Sie beeindruckt durch ihre freche, klare und doch einfühlsame Erzählart. 

Für diesen Roman erhielt Sandra Weihs den Jürgen-Ponto-Preis 2015, der für deutschsprachige Debüts verliehen wird.

6 Gedanken zu “Sandra Weihs: Das grenzenlose Und Frankfurter Verlagsanstalt

  1. Das ist ein tolles Buch, ich habs zwar noch nicht gelesen, war aber vor einer Woche im Wiener Literaturhaus bei einer Präsentation.https://literaturgefluester.wordpress.com/2015/09/29/zwischen-drinnen-und-draussen/
    Ich bin Psychologin und Psychotherapeutin von meinem Brotberuf und vielleicht von da am realen Leben interessiert, fands hart und stark was da in den Borderlinern mit Mißbrauchserfahrung vor sich hin und kann mir vorstellen, daß es in einer betreuten WG so zu geht. Es wurde über das Klischee diskutiert, ich kann mir aber nicht vorstellen, was ein Schneider oder Ritzer Klischee ist, dazu leben wir in der sogenannten bürgerlichen Welt wohl zu entfernt dazu. Dann habe ich angefangen „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ zu lesen und dann wird die brutale Alltags-Realistik noch einmal auf den Kopf gestellt. Vielleicht kommt das Buch einmal zu mir, werde es gerne lesen.

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  2. Kann ich ja, „Junge Hunde“ kommt, glaube ich, nächste Woche heraus und „Chucks“ hatte gerade seine Filmpremiere.
    Ich habe die früheren Sachen gelesen „Die Asche meiner Schwester“ https://literaturgefluester.wordpress.com/2009/02/04/die-asche-meiner-schwester/ und „Fütter mich“ https://literaturgefluester.wordpress.com/2009/10/05/futter-mich/, auf meinen Blog ist einiges über sie zu finden, da ich ihre Entwicklung ähnlich wie Valerie Fritsch und Anna Weidenholzer ziemlich vom Anfang an verfolgen konnte.

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