Wie lange habe ich mir eigentlich schon vorgenommen einmal etwas von Hartmut Lange zu lesen? Es muss bereits zu Anfang meiner Buchhändlerzeit gewesen sein, da in fast jedem Diogenes-Programm ein neuer Novellenband von Hartmut Lange zu finden war. Ein steter Schreiber kurzer Geschichten also … das wusste ich.
Kürzlich gab es von Jan Drees im „Freitag“ einen wunderbaren Bericht über den Berliner Autor.
Und so entschloss ich mich: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.
Der neueste Band heißt „Der Blick aus dem Fenster“ und so heißt auch die erste Geschichte im Buch, die mich gleich faszinierte. Ein durch und durch nüchterner und disziplinierter Ministerialbeamter sieht sich plötzlich nachts beim Blick aus dem Fenster in eine vergangene Zeit versetzt. Zuvor hatte er festgestellt, dass die Aussicht aus seinem Fenster, dem auf einem Gemälde von Caillebotte ähnelt…
In einer weiteren Geschichte gibt es eine überraschende Begegnung mit Rahel Varnhagen von Ense, die sich ins heutige Berlin verloren hat und ziemlich verstört durch die baustellenzerpflügte Stadt irrt.
Ich spürte, wie öde und trostlos es war, auf Spaziergängen immer nur gegenwärtig zu sein. „Ja, gegenwärtig“, dachte ich und war froh, als ich jene, nach der ich suchte und von der ich nicht wusste, ob es sie wirklich gab, als ich die Varnhagen wiedersah und wie sie sich bemühte, auf dem Potsdamer Platz, der sechsspurig von Autos befahren wurde, nicht unter die Räder zu geraten.“
Lange erzählt desweiteren von unzuverlässig Liebenden, von einer Bank, auf der noch nie jemand saß, von einer Engelsstatue, die ein Eigenleben beginnt und von Eva Brauns letzten Gedanken.
Ein Verwischen der Zeiten, ein Springen zwischen Diesseits und Jenseits, kleine Irritationen…
Ganz leicht dahin erzählt, eine einfache Sprache, denkt man. Da gibt es aber immer zwischen den Zeilen eine ganz eigene Stimmung. Ich hatte bei jeder Geschichte das Gefühl, da schwelt etwas im Hintergrund, was ich nicht recht zu fassen bekomme. Das macht aber nichts, denn das Geheimnisvolle ist das, was diese Geschichten trägt.
Es lohnt sich diesen Autoren zu entdecken. Ich habe mir gleich als nächstes „Tagebuch eines Melancholikers“ vorgenommen, welches mir heute überraschenderweise beim Blick in eine Flohmarktkiste in die Hände fiel, als ich mich für ein Foto-Shooting mit Rahel Varnhagen nach Berlin Mitte bewegte…
Das klingt interessant. Danke für den Tipp.
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