Michael Kumpfmüllers neuer Roman zeichnet den Lebensweg eines Mannes, der in den 60er Jahren geboren wurde. Ob es der typische Weg eines Mannes dieser Generation ist, bleibt zu hinterfragen. In drei Abschnitte teilt er dieses Leben, welches in Rückblenden aus der Sicht des 60-Jährigen, der sich quasi schon zur „Ruhe gesetzt“ hat, erzählt wird.
Gleich vorneweg: Mich hat der Roman nicht ganz überzeugt. Das liegt sicher vor allem daran, dass Kumpfmüller mit seiner nüchternen, wenig raffinierten Sprache bei mir nicht wirklich punkten kann. Was mich dran bleiben ließ, war dann auch eher die Hoffnung, etwas neues zu erfahren über das geheimnisvolle Innenleben der Männer … Was ja der Titel (in Anlehnung an Flauberts „Die Erziehung der Gefühle/des Herzens“?) irgendwie zu verheißen scheint. Was ich tatsächlich erfuhr, ähnelt in erstaunlicher Weise den Büchern über weibliche Lebensgeschichten dieser Zeit. Geht es letztendlich immer nur darum, wie wir von unserer Herkunftsfamilie geprägt werden?
Im ersten Abschnitt lernt Georg Jule kennen, seine zukünftige Ehefrau, mit der er drei Kinder bekommen wird. Das Kennenlernen, die Hochzeit, das Kinderkriegen, die immer kompliziertere Beziehung und am Rande auch die Arbeit als Komponist werden geschildert. Dieses Kapitel endet mit der Trennung von Jule.
Im zweiten Abschnitt geht es um die Kindheit, die Familie, das Verhältnis zur Schwester Ruth, die Entwicklung vom Jungen zum Mann. Dabei zeigt sich, woher bestimmte spätere Probleme, gerade auch mit dem weiblichen Geschlecht und hinderliche Lebensmuster herrühren. Ein übermächtiger, tyrannischer Vater, eine „schwache“ Mutter, eine eigentlich kaputte Elternehe, die nach außen aufrecht erhalten wird.
„Manchmal erschrecke ich, wie ähnlich wir uns sind. Es ist nicht angenehm, das zu sagen, aber wir haben beide etwas Hündisches in unserem Wesen. Ruth ist eher der Typ Straßenköter, während ich der Hund aus dem Tierheim bin. wir fürchten uns vor Stöcken, wir betteln um Fleisch. Wenn wir uns bedroht fühlen, schnappen wir zu, aber es hat noch nie jemand ernsthaft Schaden genommen, denn eigentlich möchten wir es allen recht machen. Wir sind unglücklich, wenn man uns nicht lobt, und wir springen vor Freude in die Luft, wenn sich jemand über unser Körbchen beugt.“
Im dritten Abschnitt kämpft Georg mit Exfrau Jule um das Recht auf seine Kinder (und oft auch mit seinen Kindern), beginnt neue Beziehungen und versucht mehr und mehr selbst zu gestalten, zu leben, statt schicksalhaft gelebt zu werden.
Im Vordergrund des Romans steht die Geschichte der Beziehungen Georgs. Und wo Georg als Komponist letztlich gegen Widerstände, auch des Vaters, seinen recht erfolgreichen Weg geht, sind es von Anfang an die Schwierigkeiten mit Liebesbeziehungen, seien es die Frauen oder die eigenen Kinder, die hier in die Waagschale geworfen werden. Hier liegt etwas im Argen. Hier ist keine Sicherheit in den Entscheidungen. Georg scheint einfach in diese Beziehungen hineinzugeraten, beinah willenlos. Selbst die Frau (die einmal seine erste Freundin war), mit der er schließlich zuletzt wieder zusammen kommt, tritt einfach in sein Leben ein und er lässt es, wie so vieles, schicksalhaft geschehen.
Ich war gespannt auf diesen Roman, doch muss ich sagen, dass mir Kumpfmüllers vorheriger Roman „Die Herrlichkeit des Lebens“, in dem es um Kafkas große Liebe zu Dora Diamant geht, wesentlich gelungener erschien, sowohl inhaltlich, als auch sprachlich.
Beide Bücher erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag.
Herrlichkeit des Lebens hat auch mich begeistert.
Das Cover des neuen Buches ist einfach klasse! Mal sehen, ob ich das Innere auch noch selbst entdecken werde.
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Das stimmt, die Covergestaltung ist klasse! Ich denke, für den Inhalt kann jeder eine sehr persönliche Lesart finden.
Natürlich wären männliche Lesermeinungen auch interessant …
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[…] des Mannes. Kiepenheuer & Witsch, 2016. 320 Seiten, 19,99€. Weitere Rezensionen auf: Literaturleuchtet und […]
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