Rachel Cusk: Outline Suhrkamp Verlag

 

DSCN1149

Rachel Cusk ist hierzulande recht unbekannt, was sich hoffentlich nun ändert. Dies ist der erste Roman der 1967 in Kanada geborenen in England lebenden Autorin, der ins Deutsche übersetzt wurde, zwei weitere sollen folgen.

Es ist einer dieser Romane, dessen Handlung nicht im Buch, sondern vor allem im Kopf des Lesers stattfindet. Also eher nichts für Lesende, die eine actionreiche Handlung und Plot brauchen. Aber faszinierend für die, die gerne selbst Bilder weiterspinnen und die eher an inneren als äußeren Konflikten interessiert sind. Mir jedenfalls hat es sehr viel Spaß gemacht, mich darauf einzulassen.

Wie beschrieb neulich die Rezensentin Anja Kümmel auf fixpoetry die Handlung: “ Eine Frau fliegt nach Athen und lässt sich zulabern“. Das trifft es im Prinzip ziemlich genau, allerdings im besten Sinne.
Cusk hat eine Hauptfigur, eine Frau im mittleren Alter(Schriftstellerin?), die in London lebt, allein (getrennt?, geschieden?) mit ihren zwei Kindern und die nun in Athen einen Schreibkurs geben wird. Viel mehr erfahren wir scheinbar von der Protagonistin nicht. Im Verlauf dieser Woche in Athen begegnet sie verschiedenen Menschen, mit denen sie ins Gespräch kommt. Diese Dialoge verlaufen sehr einseitig, denn fast immer reden nur die Gesprächspartner. Bis auf kurze Fragen und Einwürfe hört die Frau nur zu. Doch genau das macht den Reiz des Romans aus.

Bereits auf dem Flug nach Athen lernt sie einen Mann kennen, einen älteren Griechen, mit dem sie ins Gespräch kommt. Vielmehr: Es spricht vor allem ihr Sitznachbar. Sehr schnell öffnet er sich und erzählt viele private Dinge aus seinem Leben. Es folgen Schilderungen seiner drei Ehen, die alle gescheitert sind. Dieser Mann lädt sie später während ihres Aufenthalts zweimal auf sein Boot ein. Jedesmal erfährt sie mehr, überraschenderweise weichen die Schilderungen immer weiter voneinander ab. Dass er auch anderes als nur Gespräche im Sinn hat, zeigt sich bei ihrem letzten Treffen.
Vom Verlauf des Schreibkurses erfährt man recht wenig, allerdings wiederum einiges über die von sich erzählenden Teilnehmer. In der Freizeit trifft sie sich in der Hitze der sommerlichen Stadt nacheinander mit einem Kollegen, der auch einen Schreibkurs leitet, einem alten Freund, einer Freundin und kurz vor ihrer Abreise begegnet sie der Frau, die nach ihr die Wohnung in Athen bezieht. Alle erzählen ihr aus ihrem Leben. Hauptthema sind dabei immer die jeweiligen Beziehungen, die meist gescheitert sind und die Unzufriedenheit der Erzählenden auf der Suche nach dem „richtigen“ Leben  und der wahren Identität. Durch die kurzen Einwürfe und Fragen und die Gedanken während der Gespräche, die Cusk uns immerhin mitteilt, entsteht dennoch ein Bild von ihr. Der Leser wird herausgefordert die Gespräche zu durchdringen und so diese Frau für sich selbst zu entdecken.

„Auf eine ganz ähnliche Weise fing ich irgendwann an, meine Ängste und Wünsche in meiner Umwelt gespiegelt zu sehen, als wäre das Leben der anderen ein Kommentar zu meinem eigenen. Die Familie auf dem Boot war eine Vision dessen, was ich nicht mehr hatte. Mit anderen Worten, ich sah etwas, das nicht mehr existierte. Diese Menschen lebten in einer Zeit, die ich zwar sehen, in die ich aber unmöglich zurückkehren konnte, so wie ich nicht zwischen unseren Booten übers Wasser hätte laufen können. Aber welche dieser beiden Arten zu leben – im Moment und außerhalb davon – war die wirklichere?“

Cusk erzählt ihre Geschichte(n) in äußerst klarer Sprache und mit feinem Humor. Ich habe „Outline“ als angenehm besonders empfunden und freue mich auf die nächsten zwei Bände der –laut Verlag– „weiblichen Odyssee im 21. Jahrhundert“.

Der Roman wurde von Eva Bonné aus dem Englischen übersetzt und ist im Suhrkamp Verlag erscheinen. Eine Interview mit der Autorin gibt es hier.

8 Gedanken zu “Rachel Cusk: Outline Suhrkamp Verlag

  1. Mir hat der Roman auch sehr gut gefallen. Ich habe mich auch immer wieder gefragt, ob es anderen Lesern da wie mir gehen wird, weil ich mir gut vorstellen konnte, dass man das viele Reden als langweilig empfinden würde, was ich aber überhaupt nicht so empfand, ganz im Gegenteil. Zwar hätte ich gern noch mehr erfahren, gerade auch im Hinblick auf den Schreibkurs, aber auch so habe ich das Buch sehr gern gelesen und bin gespannt auf die weiteren Romane, die angekündigt wurden.

    Gefällt 1 Person

    • Ich fand, dass man eben auch durch die Gespräche viel über die Frau erfährt. Das ist schon eine ungewöhnliche Art einen Roman zu konstruieren, aber ich empfinde es als sehr stimmig und gelungen.

      Like

  2. Ich bin schon sehr gespannt. Der Roman liegt schon hier, muss aber noch ein bisschen warten. Jedenfalls scheint sich die Lektüre, Deiner Besprechung nach, sehr zu lohnen.
    Viele Grüße, Claudia

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar