Stewart O ´Nan: Westlich des Sunset Rowohlt Verlag

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Stewart O´Nan ist einer der Großen unter den amerikanischen Romanciers!
Ganz gleich welche Themen er sich vornimmt, es gelingt immer. Diesmal hat er einen biografischen Roman geschrieben. Es geht um die letzten Jahre im Leben des Scott Fitzgerald und zeigt einen ganz neuen Blick auf den berühmten Schriftsteller.

Wer sich vor allem Glitzer und Glamour erhofft, wird vielleicht enttäuscht sein. Obgleich
der Roman in L.A. und Hollywood spielt und obwohl es um niemanden geringeren als Fitzgerald geht, zeigt er doch vor allem auch die Kehrseite des Ruhms und die Kurzlebigkeit in diesem Business: Schauspieler und sonstige Berühmtheiten fallen womöglich viel tiefer, als der Rest der Welt. Für die, die nicht mehr ganz oben auf der Erfolgswelle schwimmen scheinen Alkohol und Aufputschmittel die gängige Kompensierung zu sein.

In einem amerikanischen Leben gibt es keinen zweiten Akt.
*Zitat von Scott Fitzgerald

Die Romanhandlung setzt ein im Jahr 1937. Scott Fitzgerald hat seine größten Erfolge bereits hinter sich. Das große Geld ist ausgegeben, Zelda lebt in einer Nervenklinik, die Tochter im Internat. Um das finanzieren zu können verdingt sich Fitzgerald in Hollywood als Drehbuch-Schreiber für Filme zum Beispiel mit Spencer Tracy, Joan Crawford oder Greta Garbo. Diese ungeliebte Arbeit, nur um eine Namensnennung im Abspann zu erhalten (für den Lebenslauf), soll auch die finanzielle Basis schaffen, um endlich seinen großen Hollywood-Roman schreiben zu können. Doch viele der Filmprojekte verlaufen im Sande oder werden anderen Kollegen übergeben. Nebenher schreibt Scott Kurzgeschichten, die in diversen Zeitungen veröffentlicht werden und weiteres Geld einbringen sollen, um Schulden abzuzahlen.
Er lebt zunächst im legendären Hotel „Garden of Allah“, wo auch Dorothy Parker, Humphrey Bogart und viele Bekannte ein und aus gehen, er besucht Hemingway, der gerade im Haus von Marlene Dietrich wohnt. Er, der bereits größere Alkoholexzesse hinter sich hat, versucht nüchtern zu bleiben, was aufgrund der Umgebung und der Misserfolge ein nicht durchhaltbares Unterfangen wird. Abhängig von Aufputsch- und Schlafmitteln und gepuscht von Unmengen Coca-Cola versucht er sich ein „normales“ Leben aufzubauen. Die Besuche bei Zelda, von der er sich immer mehr entfremdet, sind selten, er lebt an der Westküste, sie in der Klinik an der Ostküste und auch die Tochter Scottie sieht er kaum.

Als er eines Tages der jungen englischen Klatschreporterin Sheila Graham begegnet, verliebt sich sofort in sie und es scheint, als beginne ein neuer Lebensabschnitt. Sie wird seine Gefährtin, sie ist diejenige, die ihn immer wieder auffängt, wenn er durch erneuten Alkoholmissbrauch seine Gesundheit gefährdet. Während der Zeit in Hollywood hat er mehrere Herzinfarkte, den letzten kurz vor Weihnachten 1940 in Gegenwart von Sheila, an dem er schließlich im Alter von erst 44 Jahren stirbt.

O´Nan gelingt es bestens die Stimmung dieser Zeit einzufangen. Fitzgerald, der nichts mehr will als Schreiben am neuen Roman und doch immer wieder von Sorgen und Selbstzweifeln geplagt, zum Trinker wird. Er schildert eindringlich die Begegnungen mit Zelda, die durch ihre psychische Krankheit nicht mehr sie selbst zu sein scheint und die Liebe zur Tochter Scottie. Und er erzählt von der Beziehung zu Sheila, die so selbständig ist, bereits einer anderen Generation angehört und ihm dadurch seine eigenen Schwächen, sein Altern umso deutlicher spiegelt. Und er zoomt immer wieder Erinnerungen aus Scotts und Zeldas wilder glanzvoller Vergangenheit heran.
O´Nan taucht in die Traumfabrik Hollywood ein, in der es immer weiter geht, ´the Show must go on`, auch wenn auf dem anderen Kontinent in Europa alles ins Arge driftet, denn da ist längst ein Hitler an der Macht.
(Anmerkung: Das Drehbuch zu Remarques „Drei Kameraden“, an dem Fitzgerald maßgeblich beteiligt ist, muss immer wieder umgeschrieben werden, bis es bestimmten Zensoren passt – „Im Westen nichts Neues“ wurde damals sofort von den Nazis abgesetzt.)

Ich empfehle diesen Roman! Ich empfehle Stewart O´Nans Romane im allgemeinen und im besonderen auch den vorherigen „Die Chance“.
„Westlich des Sunset“, derzeit auf Platz 1 der SWR2-Bestenliste , erschien im Rowohlt Verlag und wurde übersetzt von Thomas Gunkel.

11 Gedanken zu “Stewart O ´Nan: Westlich des Sunset Rowohlt Verlag

    • Interessant ist, dass Fitzgerald ja zunächst nicht wegen seiner Bücher, sondern wegen seines exzessiven Lebens mit Zelda in den 20ern so berühmt wurde. Ich bin kein sooo großer Fan von Fitzgerald, fand aber gerade die Thematik des Abstiegs, die O´Nan ja gezielt gewählt hat (das ist ja fast immer Thema seiner Romane), das eigentlich Faszinierende. Ich habe manchmal beim Lesen gegoogelt, um mir bestimmte Infos zur Biografie anzulesen.

      Gefällt 2 Personen

  1. Ich fand, dass O’Nan auch hier wieder sein Können für dichte und stimmungsgeladene Romane beweist. Die meisten Fakten kannte ich zwar bereits – dafür bin ich zu großer Fan der Fitzgeralds, doch das Buch hielt immer wieder Überraschungen für mich bereit.

    Liebe Grüße
    Mareike

    Gefällt 1 Person

  2. „Als Fitzgerald 1940 starb, war er davon überzeugt, dass sein gesamtes Werk vergessen werde.“ Exakt diese Befürchtung hätte ich, wenn ich populär schreiben würde. Nun ist eine Buchhandlung kein Bordell. Aber Fitzgerald erkannt sich wohl als ein Dienstleister, der bei seiner Kundschaft lediglich „Gefühle“ erzeugt. Und wenn man dann in die Jahre kommt… Bestimmt also ein lehrreiches Werk, das den Unpopulären hilft die Nerven zu behalten 🙂

    Gefällt 3 Personen

  3. Ich habe es gerade zu Ende gelesen und muss erst alles einordnen, bis ich mich an meine eigene Besprechung setzen kann. Am Donnerstag könnte ich den Autor bei einer Lesung erleben und mich danach in meinem schlechten Englisch kurz mit ihm unterhalten. Von ihm kenne ich noch die Chance, die älteren Bücher möchte ich auch noch lesen. Sprachlich finde ich die Bücher sehr gelungen!

    Gefällt 1 Person

  4. O’Nan hat hier einen grandiosen Roman abgeliefert, der Fitzgerald als Person sehr authentisch zeigt, ohne zu sagen, so war es tatsächlich. Allerdings war Fitzgerald schon vor seiner Zeit in Hollywood ein starker Trinker, das wurde er nicht dort erst – und auch das finde ich, kommt gut raus im Buch. Er war durch und durch Künstler, der nur eines will: ungestört durch Außeneinfluße schreiben. Doch leider zwangen ihn die Krankheit Zeldas und die – damit zusammehängenden – finanziellen Schwierigkeiten dazu, Geld zu verdienen. In seinen früheren Spitzenzeiten schriebe er Erzählungen, die er wie aus dem Ärmel schüttelte und bekam dafür ein großartiges Salaire. Zehn Jahre nach seinen größten Erfolgen, zu denen der Gatsby zur damaligen Zeit nicht gehörte, scheint er vergessen zu sein – und das war wohl das, was ihn am meisten bedrückte. Er wollte etwas für die Ewigkeit schaffen und hat es leider nicht erlebt, dass es so war. All das fängt O’Nan völlig wertfrei und großartig ein. Ein unglaublicher Roman!

    Gefällt 1 Person

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