Welch ein schönes Buch! Immer und immer wieder entdecke ich in diesem unabhängigen österreichischen Verlag echte Leseperlen. Ein Hoch auf Droschl!
Wie schon vor einiger Zeit Friederike Gösweiner mit ihrem Debüt „Traurige Freiheit“ ist es nun der erste Roman der 1984 geborenen Österreicherin Laura Freudenthaler der mich mit seiner Konzentriertheit und seiner ruhigen so tiefgründigen Sprache erreicht. Man könnte sagen, es ist eine relativ unspektakuläre Geschichte, die hier erzählt wird, doch sie lebt auch von dem, was verschwiegen wird. Von Anfang an hat mich dieses Buch eingenommen. Freudenthalers Sprache schleicht sich langsam aber stetig in ihre Leser hinein, zunächst ist sie ein zartes Pflänzchen, doch im Verlauf der Geschichte wird sie kräftig und setzt Blüten an. Dazu braucht die Autorin keine modischen Tricks und Kniffe eines Creative-Writing-Seminars. Ihr Arrangement entspringt dem einfachen Leben, dem Alltäglichen und macht es zu großer Literatur.
„Erst als sie Schulmeisterin war wusste sie, dass es immer zwei Wirklichkeiten gab, eine vordergründige, über die laut gesprochen wurde, und eine Wirklichkeit hinter vorgehaltener Hand. Es gab die Ereignisse, die offiziell geschahen, und zugleich gingen immer auch Dinge vor sich, die unsichtbar waren.“
„Die Königin“, die schweigt, ist Fanny. Eine Frau, die immer aufrecht bleibt, vieles für sich behält und dennoch viele Geschichten kennt. Aus ihrer Biografie wird erzählt – sie erinnert sich an die tragischen und die schönen Ereignisse ihres Lebens:
Fanny lebt mit ihren Eltern und dem Bruder auf dem Bauernhof, darf als einziges Mädchen später auf die Wirtschaftsschule gehen. Der Bruder fällt im Krieg, was die Familie stark erschüttert. Als Fanny den Dorfschullehrer heiratet, zieht sie um ins Schulmeisterhaus. Sie versucht den Eltern weiterhin zu helfen, doch bald schon muss der Hof verkauft werden. Dann erwartet Fanny ein Kind. Toni wird geboren. Der Schulmeister, aktiv in einer kommunistischen Partei, verunglückt tödlich. Die Eltern sterben. Fanny zieht um. In der Großstadt fühlt sie sich nicht wohl und kommt in die kleinere Stadt, nahe des Heimatdorfs, dass sie aber nie wieder betreten will. So lebt sie mit ihrem Sohn, der erwachsen wird und seiner Wege geht und sich schließlich aus für sie unerfindlichen Gründen für den Freitod entscheidet. Auch die Enkeltochter bleibt ihr fern.
„Fanny schaute Hanna an. Noch so eine Vergangenheitsfahrerin. Wie die Enkeltochter, wie Toni auch. Alle wollen sie hingehen, wo irgendwann einmal etwas gewesen war, und begriffen nicht, dass eine Rückkehr unmöglich war.“
Alle Männer, die ihr in ihrem Leben näherzukommen versuchen, sterben ihr weg.
Dass sie nach über 40 Jahren doch noch einmal das Dorf besucht, kommt dem Ende des letzten Lebensabschnitts gleich. Nach einem arbeitsreichen Leben mit vielen Erschütterungen begegnet sie ganz im Stillen und selbstbestimmt jenem, der ihr als Gegenspieler immer präsent war …
Eine schöne Melancholie, eine wunderbare Stimmung schwingt durch diese Geschichte. Laura Freudenthaler ist eine brillante Erzählerin, die mit ihrer direkten Einfachheit, mit ihrer bildhaften Sprache verzaubert. Ein Leuchten!
Für mich sehr wohltuend: Es ist nicht der x-ste Berlinroman, nicht die soundsovielte Geschichte einer traumatischen Kindheit. Schauplatz ist zunächst ein Bauernhof, dann ein Dorf, später eine Kleinstadt in Österreich. Das Setting erinnerte mich an Reinhard Kaiser-Mühlecker oder Josef Winkler, ja anfangs auch an „Winters Garten“ von Valerie Fritsch.
Laura Freundenthalers Roman „Die Königin schweigt“ erschien im Literaturverlag Droschl. Mehr über Autorin, Buch und eine Leseprobe gibt es hier . Sie hat bereits einen Band mit Erzählungen veröffentlicht.
wird demnächst bei den O-Tönen vorgestellt
http://o-toene.at/
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Hat dies auf Wortspiele: Ein literarischer Blog rebloggt und kommentierte:
Die Rückkehr zum eigenen Tun in meinem Blog verzögert sich, aber teilen, was mich besonders angesprochen hat und ich gerne weiterempfehle, das geht wohl schon von Zeit zu Zeit – wie hier im Falle dieser schönen Besprechung von Marina Büttner…
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Danke fürs Teilen, Wolfgang!
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Vielen Dank für diesen Lesetipp!!!
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Sehr gerne!
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[…] literaturleuchtet […]
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[…] Bei literaturleuchtet findet ihr eine weitere Besprechung dieses Romans. […]
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Hat dies auf kaufmannskrimis rebloggt und kommentierte:
klingt lesenswert. On my list!
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