„Anderswo kämpfen die Menschen um ihr Leben, und du sitzt hier und leidest.“
„Du kapierst es nicht.“ Julietta nippt an ihrem Tee. „Nicht ich leide. Wir alle. Das ist das Problem. In einer Welt, in der sich die, denen es am besten geht, am beschissensten fühlen, ist etwas grundverkehrt.“
Kein Wunder, dass Juli Zeh mit diesem Buch auf der Bestsellerliste gelandet ist. Der Roman bedient genau die Wünsche, die die Mehrheit an ein Buch hat. Es ist leicht zu lesen, sprachlich nicht anspruchsvoll, so spannend, das man (angeblich) nicht aufhören kann und spricht über eine erfundene Zukunft, die wir scheinbar bald haben. Darüber kann man prima reden, mitreden und sich abarbeiten. Ich halte es dennoch nicht für ein gutes Buch. Habe ich an „Unterleuten“ noch Gefallen finden können, bei dem die Charaktere gekonnt ausgearbeitet waren, so geht mir diese Story, die inhaltlich leicht an das Vorgängerbuch anknüpfen könnte, doch gegen den Strich. Irgendwie bleibt hier alles flach und konturlos … bieder ist es, ja, das ist der richtige Ausdruck.
Die Hauptprotagonistin Britta lebt in einem Braunschweig der Zukunft, in der Sarah Wagenknecht Innenministerin ist, manche „Menschen das Bedingungslose Grundeinkommen nutzen, um auf Parkbänken zu sitzen“ und die Besorgte-Bürger-Bewegung überall ihre Finger mit im Spiel hat. Britta hat Mann und Kind und eine seltsame Art ihr Geld zu verdienen, das allerdings erfolgreich: Mithilfe eines Computersystems namens Lassie ermitteln Britta und Babak, ihr Geschäftspartner, Menschen die nicht mehr leben wollen, sich den Freitod wünschen. Diesen verhilft „Die Brücke“, falls unabbringbar, zu einem „stimmigen“ Suizid, der auch anderen noch etwas nützt:
„Ihr vermittelt mich an eine Organisation, die meinen Tod gebrauchen kann.“
Dass Britta und Babak dabei ein Stufenprogramm durchführen, um den Willen der Auserwählten zu prüfen und dabei die fürchterliche Foltermethode Waterboarding Teil dieser Prüfung ist, macht die Sache nicht besser. Als sie Konkurrenz von den „Empty Hearts“ bekommen, bricht die Braunschweig-Idylle zusammen …
Ich erinnere mich an ältere Bücher von Juli Zeh, die viel komplexer und eigener waren, Geschichten, die ungewöhnlich und viel raffinierter konstruiert waren, wie Schilf, Corpus Delicti oder Nullzeit. Wie im oben genannten Zitat zu erkennen, geht es Zeh um Gesellschaftskritik, wie fast immer, das ist das Thema, dass sie immer wieder aufgreift, bloß wird mir dabei langweilig. Vor allem wenn dann solche Sätze kommen, die die unsympathische Hauptfigur mit Sauberkeitszwang ausstößt, weil das Hammer-Beruhigungsmittel Tavor nicht mehr wirkt:
„Die Fledermäuse stürzen durch die Dunkelheit, und falls ihr Flug eine Botschaft besitzt, so lautet diese: Hab keine Angst.“
oder
„Sie hatte vergessen, dass es einen Zustand jenseits des Schmerzes gibt. Man nennt ihn Paradies.“
Offenbar neigt sich meine Juli-Zeh-Lesezeit dem Ende zu. Das ist auch nicht weiter schlimm, liegen doch bereits zwei, inhaltlich wie sprachlich, gewichtigere Bücher hier bei mir …
„Leere Herzen“ erschien im Luchterhand Verlag. Eine Leseprobe gibt es hier.
Das mit dem „Paradies“ wirkt wirklich flach.
Danke für diese Kritik!
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[…] von literaturleuchtet geht in ihrer Rezension sogar so weit zu sagen, dass in diesem Roman alles flach, konturlos und […]
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Welche inhaltlich und sprachlich gewichtigen Bücher warten jetzt auf dich, liebe Marina? Das finde ich interessant, denn auch mir erging es so … ich brauchte direkt danach was ganz „Großes“.
Lese jetzt sehr begeistert „Tyll“ von Daniel Kehlmann. Schöne Grüße!
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Liebe Jacqueline, es ist Die Osbstdiebin von Handke und Aufleuchtende Details von Nadas. Damit werde ich sicher bis Ende des Jahres beschäftigt sein. Der neue Kehlmann reizt mich diesmal gar nicht.
Viele Grüße!
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Das sind ja tatsächlich zwei ganz großartige Bücher! Bin besonders bei Handke sehr gespannt, was du dazu sagen wirst.
Schöne Grüße
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Gut da spar ich mir das, und mit Unterleuten hatte ich bis jetzt auch nicht so die Ambitionen…
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Liebe Marina, da bin ich ja froh, dass ich mir die Leeren Herzen gespart habe, obwohl mir Unterleuten (wie auch Nullzeit) sehr gefallen hat. Irgendetwas in den Vorankündigungen hat mich davon abgehalten, dieses Buch zu lesen. Zu recht, wie ich höre. Viele Grüße!
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So wie ich momentan deinen Geschmack schon kenne, kannst du es in der Tat weglassen. Wir haben ja außerdem Debüts zu lesen;-)
Mit „Stillhalten“ habe ich angefangen, das könnte ein Treffer sein, mal weitersehen …
viele Grüße!
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Ich bin gespannt!
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[…] auch andere Literaturbloggerinnen und -blogger nicht. Marina Büttner beklagt auf ihrem Blog literaturleuchtet die Biederkeit der Erzählweise, Masuko13 hat sogar noch kurz vor Schluss eine sie langweilende […]
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