Özlem Özgül Dündar las beim diesjährigen Bachmannwettbewerb einen Text, den die Jury für preiswürdig hielt. Zurecht bekam sie den Kelag-Preis. Mehr über die Autorin, die Lesung und den Text findet man hier: https://bachmannpreis.orf.at/stories/2914730/
Ihre Lyrik steht, wie ich finde, auf einem ganz anderen Blatt. Sie fordert weit mehr heraus, ist sprachlich ganz anders und umfassender, tief und eigensinnig: Pro Seite ein im Blocksatz, mit dauernden Zeilenumbrüchen geschriebenes Gedicht. Durch einzeln stehende Buchstaben wird der Leser immer wieder unterbrochen: Was mich zunächst nervt, dann aber durch verlangsamtes Lesen gewinnt. Gleichzeitig, falls das überhaupt geht, gewinnen die Zeilen eine unglaubliche Geschwindigkeit, atemlos, ein her und hin. Eine Suchbewegung. Ein Ausleuchten. Wohin? Woher?
„einen krampf um die komp
osition machen zwei schritte
vorwärts u zwei rückwärts g
ehen eine schiefe beobachtu
ng hinstellen u um den geda
nken von glück u unglück k
reisen bis die perspektive die
augen schief hängen lässt d
…“
Alle Gedichte beziehen sich auf ein Selbst, auf ein lebendiges Wesen in seinem So-Sein. Das lyrische Ich stellt Fragen, stellt fest, erläutert. Begreift etwas körperliches, innen und außen. Die Wechselwirkungen beim Funktionieren, beim Stillstand, die Wunden und Brüche. Die jeweilige Haltung dazu. Die Gedanken, die zerren und nicht vorüber gleiten. Die Wolken, die Sturm bringen. Sprache, die stürmt und stammelt und Worte deutlich platziert, jedes muss da stehen, wo es steht und muss mitunter wiederholt werden. Ein Fluß, ein Strom, ein Er- und Übergießen. Und darin die Welt, die gesellschaftlichen Strukturen mit ihren Hinderungen und Grenzen und ein Du, ein beziehen auf. Das Du und Ich im Austausch, geistig und körperlich. Das durch Sprache zu einander finden. Auch Liebesgedichte, dringlich und durchdrungen vom schöpferischen Ausdruck. Bei mir war es Liebe auf den zweiten Blick …
Dündars Debüt-Lyrikband erschien im Elif Verlag, dessen Programm ich jedem Sprachfreund ans Herz legen möchte.
Liebe Marina,
die beiden Gedichte, die auf deiner Seite zu sehen sind, laden mich geradezu dazu ein, sie erst einmal abzuschreiben und dabei andere Umbrüche zu gestalten, um dann „besser“ oder leichter lesen und verstehen zu können. Die „Umbrucharbeiten“ also als erster Schritt einer vertieften und intensiven Auseinandersetzung.
Viele Grüße, Claudia
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Das freut mich. Mit Gedichten lässt sich gut spielen und vielleicht wird bei dir etwas ganz neues draus.
Viele Grüße!
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Gedichte, die ich erst umschreiben muss, um sie verständlich zu machen, lese ich erst gar nicht.
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Jedem wie es beliebt.
Claudia möchte sie umschreiben, ich wollte sie so lesen, wie sie sind. Alles geht.
Und für mich dürfen Gedichte auch ein wenig fordern …
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[…] der Forsythe Saga, Midnight at the Electric und zweimal Lyrik: Weg zwischen wechselnden Feldern und Gedanken zerren. Des weiteren: Die Meistererzählungen von Miguel de Cervantes, Das Auge von Hongkong, Am abend […]
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