Leider, leider gibt es ab und an auch die Enttäuschungen. Nichts leuchtet oder nur ein winziges Flämmchen, obwohl ich mich sehr vorfreudig ins Lesen stürzte. Somit hier nur ganz kurze Überblicke:
Auf Reinhard Kaiser-Mühleckers neuen Roman „Enteignung“ hatte ich mich riesig gefreut, denn ich fand sowohl seinen Erzählungsband „Zeichnungen“, als auch seinen letzten Roman „Fremde Seele, dunkler Wald“, der auch für den Deutschen Literaturpreis 2016 nominiert war ziemlich toll. Was mich vor allem freute, war die Sprache: leicht altmodisch, sehr gekonnt. Und genau daran hapert es im neuen Buch; sie ist beliebig. Ich frage mich, wie das passieren kann. Kann man die Sprache verlieren? Auch die Geschichte selbst, die mir bei schöner Sprache oft zweitrangig ist, rettet hier nichts.
Ein Journalist mit Germanistik- und Anglistikstudium beginnt aus einer seltsamen Langeweile heraus als „Praktikant“ auf einem Bauernhof zu arbeiten, um herauszufinden, ob die Frau, die er gerade kennengelernt hat, auch etwas mit dem Landwirt hat. Es geht um Affäre hier, Beziehung da. Ein klein wenig Zeitkritik lugt hindurch, wenn es um Baugenehmigungen und Windkraftanlagen geht und um den aussterbenden Qualitätsjournalismus. Auch Tote gibt es am Schluß. Aber: Ich langweilte mich und habe ab dem letzten Viertel überflogen. Ich wollte sehr gerne, dass es mir gefällt, tat es aber nicht. Sehr schade. Ich hoffe auf den nächsten Roman …
„Konnte ich zurück? Ich hatte es schließlich nicht im Ernst gesagt … Und doch: Ich brauchte ihn nur anzusehen, wie er dastand in seinem schmutzstarrenden Gewand, mit seinem ausdruckslosen Gesicht, und dabei an Ines zu denken, um augenblicklich zu wissen, dass ich nicht zurück konnte., dass ich nicht einmal zurück wollte.“
„Enteignung“ erschien im S. Fischer Verlag. Eine Leseprobe gibt es hier.
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Marie Darrieussecqs Roman „Unser Leben in den Wäldern“ wurde mir empfohlen als witzige Dystopie. Leider auch hier nach kürzester Zeit Langeweile. Kein Funke. Da der Band nur 110 Seiten umfasst, dachte ich, das wäre doch zu schaffen. Ich wollte es mögen und zu Ende lesen, vor allem auch, weil die Übersetzung vom genialen Frank Heibert stammt. Aber ich fand keinen Gewinn. Dystopie, ja. Aber nichts Neues: Eine Psychologin, die auf der Flucht vor der Überwachungsgesellschaft mit Gleichgesinnten in den Wäldern lebt und ein trübes, aber freies Dasein fristet. Immerhin mit jeweils einer schlafenden zweiten „Hälfte“, die als Organspeicher, als „Sicherheit“ dient, also so etwas wie ein kontrollierter Doppelgänger ist. Die Hauptfigur, die Tagebuch führt, um für mögliche Nachkommen zu bezeugen, wie es war, spricht den Leser direkt an. Flapsig ist der Ton, aber weder sprachlich noch inhaltlich war ich zu überzeugen. Etwa die Hälfte habe ich geschafft …
„Marie wurde sehr bald nach meiner Geburt durch eine Leihmutter zur Welt gebracht, mit exakt demselben genetischen Material wie ich, und wurde uns immer als Lebensversicherung verkauft: für mich, aber auch für meine Eltern, da wir alle vom selben Blut waren. Ein haltbarer Körper.“
„Unser Leben in den Wäldern“ erschien im Secession Verlag. Wie immer ist hier die Buchgestaltung ganz wundervoll. Feines Papier, besondere Typographie, Fadenheftung, schönes Cover.
Ich danke den Verlagen für die Rezensionsexemplare.
Hinweis: Der Umstand, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, hat keinerlei Auswirkung auf meine Wahrnehmung und Rezension des Buches.
Wir sind bei Darrieussecq mal wieder ganz einer Meinung, Marina. Meine Rezension liegt auch schon bereit und unterstreicht vor allem auch deinen Hauptkritikpunkt: Nichts Neues, alles ab einem zu frühen Punkt vorhersehbar. Schade!
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Schon interessant, diese Übereinstimmungen. Auch „Monster“ hast du ja, wie ich, gut besprochen …
Bin gespannt auf deinen Beitrag.
Viele Grüße!
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„Enteignung“ hat mich vor allem ratlos zurückgelassen. Irgendwie war es ganz nett, aber ich wusste einfach nicht so richtig, was mir das Buch sagen wollte.
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Ja. Vor allem, wenn man seine Bücher vorher kennt und sehr mag.
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Ich kenne ja nur den Vorgänger, aber den mochte ich sehr…
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Vorher las ich den Band mit Erzählungen, der mir auch sehr gefiel. Ich zähle auf das nächste Buch!
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Kann man die Sprache verlieren? Ja, wenn das Lebensgefühl nicht mehr das selbe ist.
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Könnte sein. Das möchte ich Kaiser-Mühlecker natürlich nicht unterstellen … Ich habe ja offenbar auch als einzige etwas davon bemerkt. Sonst gabs nur positive Kritiken.
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