Heute ganz kurz ein Blick in zwei Romane, die mich neugierig gemacht hatten, die mich aber nicht in Gänze erreicht haben. Das hat sicher weniger mit der Qualität, eher mit der jeweiligen Thematik zu tun, die mich zeitweise sehr genervt hat und die sich an einigen Punkten auch überschneidet.
„Die Glücklichen“ und „Eine Liebe in Gedanken“ von Kristine Bilkau gefielen mir sehr. So war ich gespannt auf den neuen Roman „Nebenan“. Leider hat es nicht ganz geklappt mit uns beiden.
Es geht um ein Paar, Julia und Chris, um die vierzig, dass von Hamburg aufs Land gezogen ist, er ist Biologe und setzt sich für den Umweltschutz ein und sie ist Keramikerin, hat im kleinen Ort auch einen Laden eröffnet, verkauft aber das meiste über ihre Website. Als eines Tages die Nachbarn verschwunden sind, macht sich die Hauptprotagonistin Julia Gedanken. Auch die zweite Hauptfigur, Astrid, etwa 60-jährig, hat mit Widrigkeiten zu tun. Sie ist Ärztin und lebt mit ihrem Mann, der bereits in Rente ist ebenfalls im Ort. Das Bindeglied dazu ist Elsa, 80-jährig. Sie ist die Nachbarin schräg gegenüber von Julia und Tante von Astrid. Die Autorin erzählt wechselweise aus der Perspektive der zwei Frauen. Die eine bekommt seltsame Drohbriefe und sorgt sich um Elsa; die andere hadert mit dem unerfüllten Kinderwunsch, fragt sich gleichzeitig, ob man in diese Welt eigentlich noch Kinder setzen darf und sorgt sich um das verlassene Nachbarshaus.
Es passieren seltsame Dinge, die in keinem rechten Zusammenhang stehen und für mich scheint der Roman zu sehr aus einem Konglomerat möglichst vieler zeitgeistiger Themen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung durch Mikroplastik, Mutterschaft, Social Media zu basieren. Die Geschichte selbst geht unter oder aber ich finde sie nicht. Aber vielleicht passt der Roman auch einfach nicht zu meinen derzeitigen Leseinteressen.
Social Media und Kinder ist auch das Thema, dass beide Romane verbindet. Julia in „Nebenan“ schaut sich Videos von glücklichen Müttern, Kindern und Familien an, während die Hauptfigur Mélanie in „Die Kinder sind Könige“ diese Videos mit ihren kleinen Kindern dreht (Stichwort Unboxing) und damit Millionen Klicks erreicht und unglaublich viel damit verdient. In beiden Büchern gibt es zwei sehr unterschiedliche Frauen als Hauptfiguren.
Delphine de Vigans Romane mag ich ebenso. Hier besprochen habe ich bereits „Nach einer wahren Geschichte“. „Die Kinder sind Könige“ hat mich gerade auch wegen der Thematik interessiert. Denn man könnte auch meinen, und auch das wird im Roman thematisiert, dass diese Mütter ihre Kinder ausbeuten und ihnen die Kindheit stehlen. Denn tatsächlich sind Mélanies Kinder zunehmend weniger glücklich darüber, ständig vor die Kamera gezerrt zu werden. Mir sträubten sich die Haare, als ich las, was die 6-jährige Kimmy und der 8-jährige Sammy alles über sich ergehen lassen müssen. Privatsphäre gibt es kaum mehr, alles wird vermarktet. Die Werbung, die dabei für alle möglichen Marken gemacht wird, bringt gutes Geld. Und Mélanie, die mit dem Filmen begann, weil sie die anderen Filmenden mit ihren glücklichen Familien so toll fand, die aber mittlerweile ihre große Konkurrenten sind, meint, ihre Kinder damit ja finanziell unabhängig zu machen. Mélanie überwacht streng die Anzahl ihrer Follower. Sie will die Bekannteste sein. Sie scheint die Probleme nicht zu sehen, die Tochter, die sich immer mehr sträubt, nicht ernst zu nehmen. Da wurde ein eigenes Filmstudio in einer gekauften Nachbarwohnung eingerichtet, Mélanies Mann gab seine Arbeit auf, sein Verdienst wurde nicht mehr benötigt. Die Wohnung quillt über von Waren, die alle längst nicht mehr brauchen.
Als die kleine Tochter auf dem Grundstück der abgeschlossenen teuren Wohnanlage verschwindet, kommt die Polizistin Clara, die zweite Hauptfigur ins Spiel, die im starken Gegensatz zu Mélanie steht. Vigan schildert im letzten Kapitel auch die langfristigen Folgen, die die „Königskinder“ treffen …
Mich hat es wirklich entsetzt, was Social Media aus Menschen machen kann. Nicht dass mir das nicht klar war, wie dieses schnelllebige Medium die Welt verändert. Ich bin ja mit meinem Blog und meinen Kanälen mittendrin. Und doch kenne ich Grenzen. Ich finde es einfach schlimm, dass Kinder von ihren Eltern, die das aufgrund von Ruhm und Geld tun, so ausgenutzt werden. Liebe ist das nicht. Das ist Egoismus.
Ich gebe zu, meine Besprechung ist diesmal besonders subjektiv, aber manchmal ist das eben so.
„Nebenan“ erschien im Luchterhand Verlag. Eine Leseprobe gibt es hier. „Die Kinder sind Könige“ erschien im Dumont Verlag in der Übersetzung von Doris Heinemann.
Mich hat die Melodie von „Nebenan“ erreicht, eine Art Hintergrundrauschen, ein Verzetteln und doch immer wieder Zurückkehren zu dem Direkten. Ich mochte also die Sanftheit, gegen die das Internet wenig anstellen kann. Im Grunde bin ich sehr überrascht, wie angenehm ich das Lesen von Nebenan am Ende doch gefunden habe. Der Plot selbst ist m.E., wie du auch schreibst, nur eine Leerstelle um weitere Leerstellen herum. „Die Kinder sind Könige“ sprechen mich thematisch sehr wenig an. Bislang. Viele Grüße!
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Ja, ich scheine die Einzige zu sein, die der Text verfehlt hat. Ich denke, es lag auch sehr an persönlichen Gegebenheiten während der Lektüre. Aber schön, dass ihr alle so erfreut seid.
Viele Grüße!
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