Catherine Meurisse: Die Leichtigkeit Graphic Novel Carlsen Verlag

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Fast genau zwei Jahre sind vergangen, seit in Paris auf das Büro der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ ein grausamer Anschlag verübt wurde. Catherine Meurisse, die an jenem Morgen auch an der Teamsitzung hatte teilnehmen wollen, war wegen Liebeskummer zu spät dran. Deshalb hat sie überlebt. Die meisten ihrer langjährigen Kollegen und Freunde in der Redaktion wurden getötet.

Wie erschütternd das für Meurisse war und wie sie wieder annähernd in einen „Normalzustand“ zurück fand, schildert sie nun in ihren Zeichnungen. Daraus entstand die berührende Graphic Novel „Die Leichtigkeit“, ein Buch, das aufzeigt, wie wichtig die künstlerische Freiheit ist, heute mehr denn je. Es ist ein Buch, das mir sehr nahe geht.

An den Tagen danach wird Meurisse ständig zu ihrem Schutz von Polizisten begleitet.
Nachdem sie mit den hinterbliebenen Hebdo-Leuten allem zum Trotz die neue Ausgabe gemacht hat, spürt Meurisse eine riesige innere Leere: Weder ein Aufenthalt am Meer, noch der geliebte Proust helfen, weder die Ratschläge des Therapeuten und auch nicht der Besuch im Theater, um mit ihrem Ex-Geliebten „Oblomow“ zu sehen. Am schlimmsten scheinen die Trauerbekundungen, die ihr allenthalben begegnen: „Je suis Charlie“ schreit ihr überall entgegen … Der Anschlag auf das Bataclan in Paris im November desselben Jahres verschlechtert erneut ihren Zustand.

Erst ein Aufenthalt in Rom in der Villa Medici, einer Künstlerresidenz, scheint die Erstarrung aufzubrechen. Auf der Suche nach dem sogenannten Stendhal-Syndrom, welches ihre Dissoziation ab- und auflösen soll, stürzt sich Meurisse in die Kunst. Jedes Museum, jede antike Stätte, in ihrer Phantasie begleitet von Stendhal selbst, wird besichtigt.

„Ich warte auf das Stendhal-Syndrom.
Wir haben uns im Museum verabredet, es soll mich angesichts der Schönheit in     Ohnmacht stürzen und mich dann wiedererwecken. Ich soll mich erneuern.“

Meurisses Zeichnungen sind eindeutig und dennoch vielschichtig, die Figuren großartig charakterisiert, jeder Gefühlszustand ist sichtbar. Viele Grafiken würden auch ohne Text wirken. Doch die Sprechblasen-Texte zeigen, mit wie viel Trauer, aber auch mit wie viel bewundernswertem Witz und Selbstironie Meurisse sich wieder ins Leben bringt. Ob als Ophelia, einem bekannten Gemälde von Millais nachempfunden, oder als Überlebende auf dem Gemälde „Das Floß der Medusa“ von Géricault.
„Die Leichtigkeit“ enthält eine wunderbare Hommage an die Kunst und die darin verborgene Schönheit, die so heilsam sein kann. Ein Leuchten!

Meurisse kam unverhofft schon mit 25 Jahren zu Hebdo. Man kann sich vorstellen, wie verbunden sie in den 10 Jahren ihrer Tätigkeit bei der Zeitschrift mit dieser Arbeit und den Menschen ist. Letztlich hat sie sich entschieden, in Zukunft nicht weiter für das Magazin zu arbeiten.

Der Band „Die Leichtigkeit“ erschien im Carlsen Verlag. Übersetzt wurde er von Ulrich Pröfrock. Eine Leseprobe gibt es hier.

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