Tatsächlich habe ich mir nach der Beschreibung des Verlags eine etwas andere (interessantere!) Geschichte vorgestellt. Gleich vorneweg: die Sprache machte mir Probleme und selten war mir eine Hauptfigur so unsympathisch wie die Mathilde in Die Resonanzen. Die Norwegerin Helga Flatland schickt ihre Heldin, die in Oslo als Lehrerin arbeitet aufs Land. Und zwar in eine traditionell bäuerliche Umgebung in der Telemark. Es ist die Zeit der „Pandemie“. Viele Großstädter zieht es aufs Land. Doch Mathilde hat einen ganz anderen Grund, die Stadt zu verlassen: Sie hatte eine Art Liebesbeziehung mit einem ihrer Schüler und die Geschichte kam ans Licht. Die Entlassung folgte unverzüglich. Mathilde, die bisher in ihrem Leben nur ungesunde Beziehungen führte, leidet unsäglich, da der wesentlich jüngere Jakob sich nach dem Schulabschluss von ihr abwendet. Ihre Bindungsprobleme scheinen entstanden zu sein, als sie ihre Eltern durch einen Unfall verlor, als sie sehr klein war. So mietet sie ein Häuschen auf dem Land mit dem Vorsatz einen Roman zu schreiben. Hier steht sie unter Druck, da ihre verstorbene Mutter eine erfolgreiche Schriftstellerin war.
In einem anderen Strang wird von der Bauernfamilie erzählt, die Mathilde das Haus vermietet. Hier hatte ich von Anfang an Probleme mit der Sprache, denn der Ich-Erzähler spricht in einem Dialekt, der in Schriftsprache wirklich furchtbar dümmlich rüberkommt. Möglicherweise funktioniert das in der Originalsprache Norwegisch besser, wo es ja außerdem den Unterschied zwischen Bokmål und Nynorsk gibt. In der Übersetzung wirkt es auf mich, als würde man die Bauernfamilie als ungebildet darstellen, was sicher nichts mit der Qualität der Übersetzung zu tun hat. Ina Kronenberger und Elke Ranzinger sind da ja sehr versiert. Jedenfalls waren mir diese Sequenzen dann zu holprig. Später fließen die beiden Stränge zusammen.
„Alle Küh sind nach Schauspielerinnen benannt, und obwohl die Namenswahl allein auf den Lieblingsfilmen von Andres basiert, find ich, dass die Küh oft mit der Zeit immer mehr wie ihre Namensgeberinnen ausschauen.“
Es geht mit Mathilde weiter, wie es mit Jakob aufgehört hat. Statt an einem Roman zu schreiben, beginnt sie mit den Söhnen der Bäuerin, Andres und Johs, zu flirten, nimmt einen Aushilfsjob als Vertretungslehrerin an, will sogar das Fiedel-Spielen lernen (was in der Familie Tradition ist und im Roman lang und breit erklärt und mit diversen Sagen aus der Region untermalt wird). Rennt ihnen teilweise hinterher in den Stall und auf die Felder. Und beginnt dann ausgerechnet mit dem Verheirateten eine Liaison (während der andere nach ihr schmachtet). Als der dann nicht mehr so will, wie sie es will, steckt sie kurzerhand die Affäre seiner Ehefrau. Es kommt natürlich zum Chaos und man kündigt Mathilde, die ganz stolz bis zur letzten Minute wohnen bliebt.
„Er ist kräftig und langsam, das ist beruhigend und gleichzeitig fürchterlich nervig. Er redet langsam, bewegt sich langsam, sogar sein Lachen kennt lange Pausen; in seiner Gegenwart werde ich zu einer Parodie meiner selbst, ich rede schneller, falle ihm ins Wort oder spreche seine Sätze zu Ende, werde nachlässiger in meinen Bewegungen, als ich es eigentlich bin, ungeduldig.“
Hier zeigt sich eine Art Clash of Culture zwischen der Großstädterin, gewohnt an urbanes Leben, die sich oft überlegen fühlt und herablassend tut, und dem sehr traditionell und familiär funktionierenden Bauernhof im dörflichen Milieu, das seine ganz eigenen Regeln hat, die von außen kaum durchschaubar sind. Hier verbreiten sich Neuigkeiten immens schnell und auch Mathildes Geschichte mit Jakob kommt hier an. Gut, dass Flatland das Ende vollkommen offen lässt. Einen guten Ausgang kann ich mir allerdings so gar nicht vorstellen.
Der Roman erschien im Ecco Verlag. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.