George Saunders: Lincoln im Bardo Luchterhand Verlag

2017-09-17 15.29.31

Ja. Es mag stimmen, dass Saunders mit diesem, seinem ersten Roman, etwas außergewöhnliches, unbequemes und eigenartiges hervorgebracht hat. Allerdings ist es nicht so neu und innovativ, wie alle schreiben (wer Lyrik liest, kennt ungewöhnlicheres) und es deshalb in den Himmel loben. Ich fand es leicht zu lesen, an seltenen Stellen witzig, oft viel zu derb, und das Wichtigste: wenig interessant. US-amerikanische Geschichte finde ich anderswo besser erzählt. Vielleicht bestätigt sich hier einfach nur, was ich schon beim Leseversuch seiner Stories gemerkt habe: Saunders Schreibe liegt mir einfach nicht. Ich kann hier nichts Essentielles für mich herausfiltern.

Ganz kurz, denn dann überlasse ich das Feld lieber einigen anderen, mir bekannten, gewogeneren Stimmen aus dem Blogger-Reich (deren Einverständnis ich nun einfach mal voraussetze), ganz im Saunders-Stil, alle mehr als begeistert:

Präsident Lincoln feiert eine Party, während draußen das gemeine Volk sich bekriegen muss und sein 11-jähriger Sohn im Sterben liegt. Nach dem Tod des geliebten Knaben, treibt es Abe Lincoln hinaus aufs Gräberfeld und in die Gruft des eben beigesetzten Willi. Der Vater hält den Sohn mit seiner überbordenden Liebe ab, aus der Zwischenwelt, dem Bardo, ins Reich der Toten zu gelangen. Und diese Szene wird begleitet von erstaunlich vielen Stimmen aus dem Zwischenreich, denn sehr viele haben es aus unterschiedlichsten Gründen nicht geschafft, den endgültigen Schritt zu tun.

Saunders setzt den „Roman“ in Szene, wie ein Theaterstück. Rasante Dialoge ersetzen den üblichen Erzählduktus. Zitate halten den Dialog zusammen. Willie kommt kaum zu Wort, dafür haben die meisten anderen eine reichlich große Klappe. Ob Willie den Transfer schafft? Ich weiß es nicht, ich habe das Buch nicht zu Ende gelesen. RIP.

 

„Willie beobachtet ihn dabei, dringt als Geist in seinen Vater ein und spürt dessen Liebe und Trauer. Von diesen Emotionen überwältigt, ist sich Willie sicher: Sein Vater wird ihn aus diesem Zwielicht befreien, er wird zurückkommen und ihn holen. Nun verlangen die Regeln des Bardo, dass man sich möglichst schnell zur Wiedergeburt bereit mache – doch Willie weigert sich und es entbrennt ein Kampf der Geister um seine Seele.“ 

aus Rezension Blog Bookster HRO

„Aber auch Empathie in der Figur des Präsidenten selbst, der im Angesicht seiner eigenen Trauer an die Trauer so vieler in seinem Land denkt, die im Bürgerkrieg geliebte Menschen verloren haben. Am Ende nimmt Abraham Lincoln unbewusst die Seele eines Schwarzen mit, der in ihn gedrungen ist.“

aus Rezension Blog LiteraturReich

„Ich kann mich kaum erinnern, je etwas Ähnliches gelesen zu haben. Saunders bedient sich einer Art des choralen Erzählens, es sind viele Stimmen, die von den Geschehnissen berichten, sie reden durcheinander, ergänzen und widersprechen sich, sie plappern, lassen aus, deuten an.“

aus Rezension Blog letteratura

„In einem ersten Erzählstrang vermittelt Saunders das reale zeitgeschichtliche Geschehen mithilfe kurzer Zitate aus historischen Quellen, unter die sich dann doch, still und heimlich, kleine fiktive Schnipsel mischen. So entsteht ein Bild der Vorgänge rund um den Tod des Jungen, …“

aus Rezension Blog Schriftlichkeit

„Im Alter von elf Jahren stirbt Willie Lincoln, der Sohn des Präsidenten, während des Bürgerkriegs. Der trauernde Vater sucht alleine das Grabmal auf, um den Sohn noch einmal in den Armen zu halten. In der Nacht werden die Gespenster wach, die Geister der Toten.“

aus Rezension Blog Letusreadsomebooks

Saunders erhielt für diesen Roman den Man Booker Prize 2017. Er erschien im Luchterhand Verlag. Die Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch stammt vom genialen Frank Heibert. Eine Leseprobe findet man hier.

12 Gedanken zu “George Saunders: Lincoln im Bardo Luchterhand Verlag

  1. Ich hatte meine Probleme mit dem Roman…. wir haben nicht wirklich zueinander gefunden, mir war das Lesen etwas mühsam. Obwohl es eigentlich egal sein sollte, ist es doch immer auch nett, wenn man nicht ganz allein keinen richtigen Zugang gefunden hat 🙂

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      • Ich kannte den Autor vorher nicht…. war aber sehr neugierig auf den Roman. Naja so ist das eben, nicht jedes Buch ist für jeden und so… 🙂

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  2. Mir ging es mit den Stories genauso – das Innovative, das bei „Zehnter Dezember“ ebenso gelobt wurde (ich verlinke hier ausnahmsweise mal: https://saetzeundschaetze.com/2015/11/29/george-saunders-zehnter-dezember/), das fand ich sehr aufgesetzt. Ich hatte in der Buchhandlung in den Roman mal reingeschaut, er sprang mich aber nicht an. Nach dem Lit. Quartett war ich ein wenig verunsichert – und jetzt lese ich bei Dir, dass ich doch nicht die Einzige bin, die Saunders nichts abgewinnen kann. Tut gut 🙂 Dir ein schönes Wochenende!

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    • Danke, fürs Feedback, Birgit. Ich habe mir das Quartett gar nicht angeschaut. Mich wundern allerdings schon die vielen Lobeshymnen. Bei manchen Büchern denke ich, alle hätten sich abgesprochen oder keiner traut sich dagegen zu schreiben. Wie auch immer.
      Dir auch ein schönes Wochenende!
      Übrigens blüht auf der Pfaueninsel schon die blaue Blume …
      Liebe Grüße!

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