Gaea Schoeters: Trophäe Zsolnay Verlag


Trophäe war meine erste Neuerscheinung in diesem Jahr und hat gleich schon die Maßstäbe für dieses Lesejahr gesetzt. Mich zog hier das Cover magisch an. Und auch die Inhaltsangabe ließ mich sofort neugierig werden. Und ja, es ist ein wirklich besonderer Roman in der Landschaft der aktuellen Gegenwartsliteratur weit ab des Mainstream. Die flämische Autorin Gaea Schoeters wird ihren Roman sicher auch auf der Buchmesse mit Gastland Niederlande/Flandern vorstellen und ich wünsche ihr sehr viele Leser. Nun sind ein paar Wochen zwischen lesen und darüber schreiben vergangen und es fällt mir noch immer nicht leicht diese Geschichte in Worte zu fassen.

Es beginnt mit einem reichen weißen Geschäftsmann aus den USA, der zur Großwildjagd nach Afrika reist. Er möchte seine Trophäensammlung vervollständigen und die Big Five (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard) abschließen. Seine Frau, die mit Antiquitäten handelt und anders wo auf Geschäftsreise ist, soll endlich einen ausgestopften Nashornkopf als Geschenk erhalten. Schon diese ersten Passagen finde ich extrem gruselig. Von Anfang an ist mir diese Hauptfigur mehr als unsympathisch. Mit welch einer Selbstverständlichkeit hier aufgrund von Reichtum über Leben und Tod entschieden wird, ist mir zuwider. Und so wird es mir als Leserin mit diesem Roman weiter ergehen. Entsetzen, Ungläubigkeit und dennoch Spannung und Interesse an den Gegebenheiten in diesem fremden Land, den Menschen, die so ganz anders mit ihrem Leben umgehen als wir und eben auch an dem Jäger, der dieses Mal mehr über die Jagd lernen muss, als er wollte.

„Verglichen mit den fragwürdigen Übernahmepraktiken und den semilegalen Monopolen, die er manchmal unter dem Radar der Finanzspürhunde verstecken muss, ist es ein Kinderspiel, den Erwerb einer Jagdlizenz für ein Spitzmaulnashorn vor ein paar fanatischen Naturschützern zu verbergen.“

Der Mann, der bezeichnenderweise auch noch Hunter heißt, hat schon mit seinem Vater gejagt, allerdings in heimatlichen Gefilden, der den Sohn zu einem harten, echten Mann erziehen wollte. Und so ist also nun das Nashorn dran, dass noch fehlt im Repertoire und bei einem erfahrenen Jagdveranstalter, den er schon lange kennt, scheint das ein Vergnügen zu werden. Doch es gibt Komplikationen. Wilderer kommen dem zahlenden Jäger in die Quere. Nur mithilfe erfahrender einheimischer Fährtenleser gelingt das Vorhaben letztlich. Ohne diese wäre Hunter aufgeschmissen. Doch zufrieden ist er nicht. Um den Jäger mit den Hindernissen und Misserfolgen zu versöhnen, schlägt der Jagdveranstalter, der Hunter schon sehr lange kennt, einen unvorstellbaren Deal vor. Statt Big Five nun Big Six … Ich ahne, was da kommt.

„Sie lesen die Fährten auch ganz anders als wir: Die Spur verrät ihnen nicht nur, was schon passiert ist, sondern auch, was noch passieren wird. Indem sie sich in das Tier hineinversetzen und fühlen, was das Tier fühlt, können sie voraussagen, wo es hingeht.“

Kleiner Abstecher zu verschiedenen Sichtweisen auf die Jagd in afrikanischen Ländern:
Ein Jagdveranstalter pachtet oder kauft bestimmte Flächen und verwaltet die darauf wild lebenden Tiere. Er hält die Region frei von Wilderern und schützt die Anzahl der Tiere durch gezielte Jagd mit zahlenden Kunden. Die Trophäen gehören den Jägern, das Fleisch geht an die Stämme, die im Jagdgebiet leben. Einheimische Männer finden Anstellung als Fährtenleser für die Jäger. Außerdem unterstützt er die Region mit dem Bau von Schulen, Krankenhäusern etc. Eine Win-Win-Situation!? Anderer Meinung sind viele Naturschützer und Ethnologen. Denn sie sehen, dass die Einheimischen von ihren ursprünglichen Jagdrevieren und Lebensräumen vertrieben und umgesiedelt wurden und nun kaum mehr Rechte und Freiheit haben. Sie dürfen auch nicht jagen. Die teils nomadischen Stämme mussten sesshaft werden. (Interessante Doku zum Thema siehe link unten)

„Wir jagen auf ihrem Land. Das Volk, von dem die Jungen abstammen, gibt es hier schon seit rund zwanzigtausend Jahren. Unsere Vorfahren haben sie umgesiedelt, was eine nette Formulierung dafür ist, dass wir uns ihr Land unter den Nagel gerissen haben.“

Schoeters hat ein unglaubliches Talent dafür, von Begebenheiten zu erzählen, die man eigentlich gar nicht hören will, ein Talent auch überzeugend auf sprachlicher Ebene. Und sie muss unglaublich viel recherchiert haben, denn sie bringt mir ein Thema nah, für das ich mich sonst sicher nicht interessiert hätte. Sie schafft mir mit enormem Wissen eine Grundlage, die Geschehnisse in dieser Geschichte einordnen zu können. Das schafft sie so gut, dass es nicht nur sachlich sondern auch auf der Sinnesebene wirkt. Der Roman erzeugt unglaubliche Bilder. Und schafft Atmosphäre und ist ganz stark im Ausdruck von Gefühlen und Empfindungen der Hauptfigur. Denn die hat sie tatsächlich auch. Und im Laufe der Geschehnisse immer stärker.

Das Buch endet in einem wahnsinnig spannenden Showdown, den ich hier nicht weiter erläutern werde, der mich als Leserin aber wieder etwas versöhnlicher stimmt, soweit das in diesem Rahmen überhaupt möglich ist. Denn es nicht unbedingt der reiche Weiße, der aufgrund seiner Waffen hier allen überlegen ist. Die Natur ist oft stärker und auch die Menschen, die sich darin bestens zurechtfinden. Unbedingte Leseempfehlung!

Der Roman erschien im Zsolnay Verlag. Übersetzt hat ihn Lisa Mensing. Eine Leseprobe gibt es hier. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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