„…so gibt er mir nach
und nach seinen vom andren ende zurecht
gelegten schlaf drin liege ich falsch und wach“
Judith Zander wurde 1980 in Anklam geboren. Sie schreibt sowohl Lyrik als auch Prosa. Nun erhält sie für ihren neuesten Lyrikband „im ländchen sommer im winter zur see“ den Peter-Huchel-Preis 2023. Am 3.4.23 wird er verliehen. Auszug aus der Begründung der Jury:
„Judith Zanders Gedichtband „im ländchen sommer im winter zur see“ faltet in einem weiten literarischen Hallraum eine elegische Sprachlandschaft aus. In äußerst nuancierter Wortarbeit und mit hoher Musikalität schafft sie einen Raum für Erfahrungen des Ostens und übersetzt sie in eine allgemeine, kritische Reflexion von Erfüllung und Verlust. Ihr Band versammelt Liebes- und Naturgedichte, die immer auch in einem politischen Zusammenhang stehen. Sie spielt mit Sprachbildern, bricht verhärtete Redewendungen und stellt die damit einhergehenden Ordnungen infrage.“
Ich habe den Band gleich nach Erscheinen in die Hand genommen, brauchte jedoch mehrere Anläufe, bis sich mir die Gedichte erschlossen. Immer braucht es den richtigen Zeitpunkt für eine bestimmte Lektüre. Es ist ein Band, den man nicht mit ein mal lesen erfassen kann. Dazu ist er zu ausgeklügelt und sprachlich zu bewusst konstruiert. Hier ist nichts zufällig, alles gehört an seinen Platz. Dennoch wirken die Gedichte, vor allem auch wegen der vielen schrägen Zeilenumbrüche, mitunter sperrig. Ein Hin- und Herdenken wird beim Lesen gefordert. Oder aber man verlässt sich voll auf den Klang und gibt sich nur dem Rhythmus hin. Das funktioniert auch; vor allem, wenn man laut liest. Letztlich habe ich Zanders Lyrik lieb gewonnen. Und freue mich über die Vielfalt, die mir bei Lyrik fast größer erscheint als bei Prosa. Judith Zanders Lyrikband landete auch auf meiner persönlichen Bestenliste im Jahr 2022. Hier gehts zu meiner ausführlichen Besprechung:



Sehr gefallen hat mir auch ihr letzter Roman „Johnny Ohneland„: Welch ein Sprachfunkeln!
Es war der erste Roman, den ich von ihr las. Ihre Sprache ist wunderbar. Es ist wieder einmal so ein Buch, bei dem für mich die Sprache vor der Geschichte selbst steht. Die Geschichte ist eine Familiengeschichte, eine Entwicklungsgeschichte, eine Coming-of-Age-Geschichte. Die Sprache spielt die Hauptrolle und wird zelebriert in jeder Hinsicht. Wir erleben die Heldin Joana Wolkenzin in ihrer kleinen Heimatstadt im nördlichen Ostdeutschland. Beginnend mit dem Kindergarten, noch vor dem Mauerfall, bei dem sie 10 Jahre alt ist, begleiten wir sie, ihren ein Jahr jüngeren Bruder Charlie und ihre Eltern durch die Zeit bis in ihr Erwachsenenalter. Die eigentlich spektakulären Dinge passieren in Zanders Roman weniger im Außen, als im Inneren der Heldin. Denn sie reflektiert und seziert fast pausenlos ihr Dasein und versucht sich ihr Alleinsein und ihr Anderssein zu erklären und zu akzeptieren. Für mich als Leserin ist das hochinteressant, denn die Sprache, die die Autorin dabei verwendet sprüht vor Wortspielereien und Metaphern (die bis auf sehr wenige Ausnahmen stimmig sind). Dabei entstehen oft extrem lange Satzschlangen, die mitunter mehrfaches Lesen nahelegen. Eine weitere Besonderheit ist die Du-Perspektive, in der das Buch geschrieben ist. Hier geht es zu meiner ausführlichen Besprechung:
Gerade habe ich noch einmal ins „manual numerale“, erschienen 2014, hineingeschaut. Gelesen habe ich es bereits vor meiner Bloggerzeit. Zwei passende Gedichte habe ich gefunden. Eins, was mich an aktuelle politische Zukunftsszenarien erinnert:
„Ach, was muß man oft von bösen zukünften hören oder lesen
wo am wenigsten passiert was am meisten interessiert
dieses nähret den verdacht zukunft sei nicht selbstgemacht
sag in welchen massenküchen wird sie eingeweckt mit flüchen
wer kauft sie bei Netto ein die geschmacksvereitlungspein
und flößt ein sie seinen kindern um sich nicht allein zu hindern?
oder dieses Einsatzgedicht, welches ich mir beim Dichten in Zukunft immer vor Augen führe:
„heute schrieb ich dir ein langes mir gefallendes gedicht“
Alle Bücher von Judith Zander erscheinen beim dtv.
Das Gedicht hat mir sehr gefallen, besonders
„und flößt ein sie seinen kindern um sich nicht allein zu hindern“
ich bin gespannt auf den Roman. Danke für den Tipp!! Viele Grüße!
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Ja, das passt so gut in die aktuelle Zeit. Lyrik scheint mir mitunter prophetisch.
Viele Grüße, nun aus dem Osten Berlins
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Ach herrje, jetzt kann ich nicht mehr über die Dächer grüßen und winken 🙂 Ich hoffe, alles hat gut geklappt!!
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Einigermaßen. Jetzt muss ich noch austüfteln, wie ich meine vielen Bücher platzsparend unterbringe.
Schönen Sonntag!
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