Inger-Maria Mahlke: Unsereins Rowohlt Verlag


Es ist mein erstes Buch von Inger-Maria Mahlke und es gefiel mir sehr. Im Laufe des Lesens wurde mir bewusst, dass es mir besonders deshalb gefällt, weil es nicht in der heutigen Zeit spielt, weil es mich nicht mit dem mir derzeit fast unerträglichen Zustand dieser Welt konfrontiert und schon gar nicht eine noch schlimmere dystopische Zukunft schildert. Dass man „Unsereins“ in Verbindung bringt mit Thomas Manns Buddenbrooks – geschenkt. Denn es ist ein durchaus für sich selbst stehendes Werk einer wunderbaren Erzählerin.

Wie so oft, leitet der Klappentext ein wenig auf eine falsche Spur. Denn ich hatte nicht den Eindruck, dass hier die Frauen im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Etwas was ich schade fand. Das was über die Frauen erzählt wird, zeigt aber deutlich, wie wenig Rechte Frauen zu dieser Zeit hatten, zumindest, wenn sie nicht einer gewissen Oberschicht angehörten. Doch selbst dann waren sie alles andere als selbstbestimmt. Zumindest in dieser kleinen Stadt am Meer. Was mich auch wunderte: Laut Klappentext wird die Familie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft diskriminiert. Im Text merke ich nichts davon. Womöglich bin ich da nicht sensibel genug. Die Geschichte spielt von 1890 bis 1906 überwiegend in Lübeck.

So begegnen wir den Mitgliedern der alteingesessenen bürgerlichen Lübecker Familie Lindhorst. Der Patriarch Friedrich, Rechtsanwalt, seine Ehefrau Marie, die Tochter eines deutschlandweit berühmten Dichters ist und die doch sehr fragil ist, mit manischen, mit depressiven Phasen, damals vermutlich unter die Kategorie Hysterikerin fiel. Kein Wunder vielleicht auch, wenn man acht Kinder gebärt. Von Anfang an war ich froh, dass es gleich voran ein Personenregister gab, denn Mahlke fährt eine unglaubliche Menge an Personal auf. (Waren es bei den Buddenbrooks auch so viele?) Einerseits fand ich es interessant, wie sie die Vielfalt der Protagonisten ausarbeitet, dadurch ein Gesellschaftsporträt zeichnet, andererseits war es mir dann manchmal zu wenig zu den jeweiligen Personen, die dann teilweise wieder von der Bildfläche verschwanden. Mahlke durchleuchtet schön die Beziehungen zwischen „Gnädigen“ und Personal. Auch kurze politische Abzweigungen gibt es. Und natürlich kommt auch Thomas Mann vor, der mit einem der Söhne in die Klasse ging.

„Oder Tomy und Otto. Der Pfau und sein Schatten. Den Pfau lassen die meisten in Ruhe. Die Lehrer, weil er einer von den Vater Senators ist, die Älteren, wegen seines Bruders , Heinrich, der im Herbst von der Schule abgegangen ist, jetzt in Dresden eine Lehre macht und den die Primaner ehrfurchtsvoll den König von Tittisee nennen.“

Besondere Gestalten waren für mich einige Nebenfiguren wie etwa der Ratsdiener Isenhagen, der aus Liebeskummer beginnt Geranien zu züchten, das Hausmädchen der Lindhorsts, Ida, dass schuftet und schuftet und trotz fortgeschrittenen Alters doch noch versucht aus diesem Dasein auszubrechen und nebenher Stenographie und Maschinenschreiben lernt. Helene fällt auf, Tochter einer befreundeten Familie, die sich als eher emanzipiert entpuppt und bald ihren eigenen Weg geht, dank eines Erbes und ihres schriftstellerischen Talents. Und irgendwie auch Otto, der aus kleinen Verhältnissen stammt und „Tomy“ Mann in der Schule wie ein Schatten begleitet. Alma, die älteste Tochter, wird, als sie die Schule verlässt, gleich als Hausvorstehende „eingeteilt“, was sie ohne Widerstand erfüllt. Die im Klappentext explizit genannte letztgeborene Tochter Marthe, taucht viel zu wenig auf, als dass man ihr einen Charakter zuordnen könnte.

Die Söhne spielen eigentlich die Hauptrollen. Sie werden Nachfolger des Vaters, studieren auswärts, arbeiten in London und Japan, sind teilweise künstlerisch begabt, sind mehr oder weniger erfolgreich, einer erkrankt an Syphilis und bringt sich um. Man begleitet alle in unterhaltsamer Weise in die Sommerfrische, teils an die See, teils in die Berge. Die Hausherrin verbringt bald viele Monate in diversen Sanatorien. Der Hausherr hat das Heft in der Hand und doch heißt es einmal, um den Konkurs zu vermeiden, umziehen in ein kleineres Haus in weniger guter Lage. Aus einem für einige mehr für andere weniger traurigen Anlass versammeln sich die Geschwister am Schluss und teilen ihre Erinnerungen.

Obwohl es vielleicht so scheint, als hätte ich einiges auszusetzen an diesem Roman, habe ich ihn sehr gemocht, fand ihn direkt unterhaltsam und bin gerne in diese Zeit eingetaucht. Das Buch erschien im Rowohlt Verlag.

2 Gedanken zu “Inger-Maria Mahlke: Unsereins Rowohlt Verlag

  1. Guten Morgen! Oh heute beim Reader lesen auf WordPress wächst meine Wunschliste ganz enorm. Und dank deiner tollen Schilderungen ist noch ein Buch hinzugekommen.

    Gepackt hast du mich spätestens in dem Moment, als du Isenhagen erwähnt hast, der aus Liebeskummer Geranien züchtet.

    Ich bin gespannt, was ich Zeit finden werde, das Buch zu lesen.

    Ganz liebe Grüße,
    Barbara

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar