dada Almanach Manesse Verlag

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„Dada ist ein Wirbel, der aus seiner eigenen Peripherie geboren, hervorgegangen aus einem allgemeinen Daseinszustand, die Menschen in sich hineinreißt, sie umherschleudert, durcheinanderschüttelt, sie entweder auf die eigenen vier Beine stellt – oder liegen lässt.
Raoul Hausmann“

Es ist ein wunderschönes  Buch! Ein wundersames Buch! Es ist ein Buch! Es ist ein dada!

Der soeben erschienene dada Almanach gefällt mir schon rein äußerlich ausgesprochen gut: Ein beinah quadratisches Buch mit rohem grauen Pappeinband, farbig geprägtem Titel-Schriftzug auf dem Deckel und knallrotem Vorsatzblatt – die Farben Schwarz und Rot dominieren – auf weißen Seiten, auf hochwertigem Papier, in grafisch gelungen gestalteter DADA-Versuchsanordnung finden sich die „Texte“ auf 176 Seiten, gebunden in roter Fadenheftung.

Entstanden ist der Kunstband bei Manesse in Zürich, da, wo auch DADA damals vor 100 Jahren seinen Anfang fand. Das Buch beginnt gleich mit Tristan Tzaras „Anstiftung“ zur Herstellung eines DADA-Gedichtes, was ein jeder einmal ausprobieren sollte, denn es ist ein großes Vergnügen („Nehmt eine Zeitung. Nehmt Scheren.“) …

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Danach ist das Buch in diverse Kapitel aufgeteilt,
so finden sich Lautgedichte zusammen und Bildgedichte, Prosa, Stücke und Manifeste. Viel Bekanntes findet der Leser, wie etwa Hugo Balls „Karawane“, Kurt Schwitters „An Anna Blume“
und Hans Arps „Die Schwalbenhode“,
die beginnt mit den bekannten
und von mir geliebten Zeilen:

 

 „weh unser guter kaspar ist tot
wer trägt nun die brennende fahne im zopf und wer dreht die kaffeemühle
wer lockt nun das idyllische reh
auf dem meer verwirrte er die schiffe mit dem wörtchen parapluie und
die winde nannte er bienenvater
weh weh weh unser guter kaspar ist tot heiliger bimbam kaspar ist tot“

Weniger bekannte, aber (wieder)entdeckenswerte Namen tauchen auf, darunter Walter Serner mit dem „Letzte Lockerung manifest“, welches wohl in etwa zeitgleich mit dem Manifest Tristan Tzaras entstand. Immerhin zwei Frauen sind dabei: Elsa von Freytag-Loringhoven und Emmy Hennings, die spätere Frau Hugo Balls. Mir fehlt allerdings Hannah Höch mit ihren wunderbaren Collagen. Raoul Hausmann (der zeitweise Gefährte Hannah Höchs) ist immerhin zu finden und Max Ernst, der spätere Surrealist, der gesellschaftskritische Maler Georg Grosz und noch viele andere spannende Stimmen (mein Favorit: Clément Pansaers!).

Am Ende des Buches werden die „Dada-Leader“, oben genannte und desweiteren Johannes Baader, André Breton, Richard Huelsenbeck und Francis Picabia mit einer kurzen Biografie und ihrer Wirkweise innerhalb der Gruppe vorgestellt. Zusätzlich wird die geografische Entwicklung aufgezeigt: Wer agierte wo, von Zürich über Berlin nach Paris und in die „Filialen“ Genf, Köln, Hannover, Holland, Belgien, Madrid bis sich allmählich die heftige Dada-Welle durch politische und individuelle Veränderungen oder Uneinigkeiten im Sande verlief …

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Der Schwerpunkt des Buches liegt auf Werk und Schaffen der Künstler, und dabei speziell im Textlichen, weniger auf zeit- oder kunstgeschichtlichen Aspekten, weshalb es mir auch besonders gut gefällt. Zudem ist es in meinen Augen auch selbst ein Kunstwerk, ein absolut sehens- und lesenswertes Künstlerbuch!

Die Herausgeber des Buches Andreas Puff-Trojan und H.M. Compagnon schreiben im Nachwort: „Dada ist NICHTS, also ALLES. Ein Almanach dagegen liefert MANCHES: eine Auswahl.“

Und so ist es. Ein kleiner gelungener Einblick in DADA-Welten…

 

 

10 Gedanken zu “dada Almanach Manesse Verlag

  1. Hätte ich diese schöne Besprechung nur nicht gelesen.
    Jetzt muss ich mir das holen
    Es ist schier zum Verzweifeln.
    Abwechselnd auf den noch zulesenden Bücherstapel und ins Portmonee blickend
    (und grüßend):
    Erich

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