Nell Zink: Avalon Rowohlt Verlag


„Faschistoid“ ist das Lieblingswort der amerikanischen, in Brandenburg lebenden, Autorin Nell Zink in ihrem neuen Roman „Avalon“ (und das hat mich wirklich sehr genervt). Generell ist der Roman diesmal sehr ambitioniert, was den Wortschatz angeht. Ich gehe davon aus, dass das nicht an der Übersetzung von Thomas Überhoff liegt. Vielleicht bin ich auch die Einzige, die Worte wie „Daffke“, „kantern“ oder „Molasse“ noch nie gehört hat. Der Roman wirkt auf mich stilistisch sehr amerikanisch und mainstream-mäßig. Jedenfalls haben mir ihre letzten beiden Romane „Das Hohe Lied“ und „Virginia“ (siehe unten) deutlich besser gefallen (die allerdings beide von anderen Übersetzern stammten).

Was mich am Roman eigentlich reizte, war das Thema. Im Verlagstext ließ es auf einen Bildungsroman mit sozialem Aufstieg schließen, was nicht ganz zutrifft, wie ich finde. Eigentlich eine Coming-of-Age-Geschichte eines Mädchens, Bran, dessen Mutter sie zurücklässt um in einem buddhistischen Kloster weit weg von Kalifornien zu leben. So wächst sie bei der Familie ihres Vaters auf, den sie eigentlich auch kaum kennt. Diese Familie ist in L.A. bekannt als Clan, dessen Oberhaupt Offizier war, jedoch nun Mitglied einer berüchtigten Motorradgang ist. Die Familie betreibt eine Farm als Gärtnerei, in der Bran sehr früh als unbezahlte Kraft mitarbeiten muss. In der Schule ist sie gut und lernt dort auch ihren besten Freund Jay kennen, später auf der Highschool formierte sich eine Clique um die beiden herum. Während die Freunde dann zum Studium ans College gehen, bleibt Bran zurück in der Gärtnerei. Durch die Freunde öffnet sich jedoch die Welt ein wenig, besonders als sie durch Jay Peter kennenlernt, der von ihr fasziniert ist und ihr bald sehr viel bedeutet. Durch ihn lernt sie Autoren, Bücher, Filme, Philosophen kennen. Er scheint sie aus dem Ausgenutztwerden in der Gärtnerei durch Bildung herausholen zu wollen. So „My fair Lady“-like.

„Das Internet ist ein offen faschistischer Ort. Mein kondensierter und gereinigter Avatar spricht für mich, während ich zu schweigen lerne. Klar könnte ich auf eine Gemeinschaftsfarm ziehen und für die Menschlichkeit kämpfen, aber das käme gesellschaftlicher Selbstauslöschung gleich. Die einzigen Narrative, die noch zu einer von vielen geteilten Wirklichkeit durchdringen, sind die, die mit der faschistoiden Ästhetik dystopischer Unterhaltung konform gehen, und das inkludiert politische und akademische Diskurse …“

Mehrere Male bricht Bran aus ihrem alten Leben aus, unterstützt von Eltern eines Freundes und, wie sie selbst vor allem meint, durch die Liebe zu Peter, der jedoch eigentlich mit einer anderen verlobt ist. Oft empfinde ich Peters Art als überheblich. Oft macht sich Bran selbst kleiner, als sie ist. Sicher auch, weil sie niemals zuvor Anerkennung erhielt. Wäre da ein Zusammensein auf Augenhöhe überhaupt möglich? Da Peter an der Ostküste weiter studiert, führen die beiden eine Art Fernbeziehung. Bran kleidet sich nun weniger burschikos, wird sichtbarer. Sie jobbt in einem Cafe, übernimmt Housesitting-Jobs und Gärtnerarbeiten. Doch eigentlich will sie schreiben. Angeregt von Peter entwickelt sie Drehbücher, die sie anfangs mit Jay, der an der Filmhochschule studiert, umsetzt. Doch so richtig kommt sie von der „Familie“ auf der Farm nicht los. Nie kommt es zu einem Schritt, der sie vollkommen frei und unabhängig macht.

„Kurz, es war mir gleichgültig, was mit mir geschah. Bedeutsames konnte ohnehin nicht mit mir geschehen, denn Dinge, die im guten oder schlechten Sinne etwas ausmachten, geschahen mir mit Peter, und der war nicht da. Hinzu kommt, dass ich auf der Bourdon Farm so glücklich war wie noch nie zuvor, bloß weil ich ihn kannte.“

Die von Peter arrangierte Einladung zu einer Party eines bekannten Autors mit wichtigen Gästen, die sie im Job weiterbringen könnten, wird zum sehnlichst erwarteten Highlight für Bran, allerdings vor allem, weil sie Peter dort nach über einem Jahr wiedersehen wird. Mit ihrem alten Auto legt sie 600 Kilometer nach Nordkalifornien zurück. Für sie ist kein Weg zu weit um „ihn“ zu sehen. Das Wiedersehen wird innig und intim, mit dem Gastgeber allerdings liegen sie gleich im Clinch. Die Gespräche mit anderen Gästen bleiben dann bedeutungslos im Angesicht von Peters Ankündigung, er wolle seine Verlobung lösen um Brans Willen. Doch Bran glaubt ihm nicht, zweifelt (Ich auch). Der Schluss bleibt offen.

Interessant war es, Nell Zink auf dem Berliner Bücherfest lesen und über ihren Roman und ihr Schreiben sprechen zu hören (siehe Foto oben). Sie scheint eine humorvolle und interessante Person zu sein, Der Roman erschien im Rowohlt Verlag. Eine Leseprobe gibt es hier. Ich bedanke mich für das Rezensionsexemplar.

4 Gedanken zu “Nell Zink: Avalon Rowohlt Verlag

  1. Mir ging es ähnlich. So richtig warm geworden bin ich mit diesem Buch/dem Charakter Bran nicht, dennoch ist die Schilderung des Hauptcharakters ganz gut gelungen und der sprachliche Stil ist so außergewöhnlich, dass es schon wieder gewürdigt gehört. Liebe Grüße

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