Yishai Sarid: Schwachstellen Kein & Aber Verlag


Am Wochenende in einem Zug durchgelesen: Yishai Sarids neuer Roman handelt wie die anderen (eine weitere Besprechung siehe unten), die in deutscher Übersetzung vorliegen von brandaktuellen Themen gespickt mit Gesellschaftskritik und sie sind sehr spannend geschrieben. Der israelische Autor beleuchtet diesmal die Welt der Geheimdienste, Hackerangriffe und das Thema Privatsphäre versus Sicherheit.

Schwachstellen zu entdecken ist bereits bei der Armee die Aufgabe von Siv. Der 23jährige Israeli ist so talentiert in diesem Metier, dass er vom Militär weg direkt von einer Firma, die nachrichtendienstliche Sicherheitssysteme anbietet, engagiert wird. Für ihn vor allem eine riesige Chance, kann er doch mit dem ziemlich guten Gehalt endlich von zuhause ausziehen. Die Familie ist längst zerbrochen. Die Mutter verdient das Geld als Krankenschwester, der Vater ist beruflich gescheitert, die Schwester drogenabhängig. Die Eltern geben Siv die Schuld an der Sucht der Schwester, da er als älterer Bruder einmal in der Kindheit einen großen Fehler begangen hat. Mit dieser Schuld kommt Siv nicht zurecht, er lebt vollkommen isoliert, zieht sich von anderen zurück, hat keine Freunde mehr, hat Angst vor den trinkenden Arbeitskollegen mit ihren jovialen Sprüchen, schafft es nicht, Frauen anzusprechen. Er lebt wie man sich einen echten Computerfreak und Hacker so vorstellt.

Doch in seiner Arbeit ist er brillant und sein Chef schickt ihn bald zu immer kniffliger werdenden Auslandseinsätzen. Die Kunden sind weltweit verstreut. Siv freut sich, so kann er reisen. Sein Ansehen steigt mit den immer besser gelösten Aufgaben. Auf ihn kann man sich verlassen. Er verliebt sich unsterblich in eine Arbeitskollegin, doch sie will nichts von ihm wissen. Siv hackt sich auch privat in Telefone ein: sei es zum vermeintlichen Schutz der Schwester, sei es um die Angebetete heimlich zu bespitzeln. Bald wird das zur Sucht.

„Der Mensch muss verstehen, dass das, was er hinter verschlossener Tür tut, für alle einsehbar ist. Sogar das, was er im Kopf hat. Das ist nicht wie früher bei denen im vorigen Jahrhundert. Er ist selber Schuld, wenn er nicht merkt, dass die Zeiten sich geändert haben.“

Als er für einen Auftrag allein ins Ausland geschickt wird, gerät Sivs Leben ins Wanken. Eine schöne Frau wird ihm vor Ort als Dolmetscherin zur Verfügung gestellt. Doch das Land, erweist sich als eines, das seine Bürger bespitzelt um kritische Denker und aufrührerische Rebellen zum Schweigen zu bringen. Es gibt Folter und Todesstrafe. Eine Demokratie ist es nicht, eher ein Militärdiktatur. Vermutlich fiktiv, aber den Örtlichkeiten nach, möglicherweise angelehnt an die ehemalige Tschechoslowakei oder die Ukraine, vielleicht eine Mischung aus verschiedenen osteuropäischen Ländern. Immer in Rücksprache mit seinem Chef, liefert Siv den Staatschefs, was sie wollen. Als es zum Putsch kommt, gerät er in Gefahr, denn er war mit beteiligt an den Unrechtstaten der Regierung, wird aber gerade noch rechtzeitig rausgeholt.

„Aus der Ferne hörte ich Freudenrufe, vermischt mit Schüssen, und sah die Flammen, die den Palast ergriffen. Sicher hatte man ihnen bereits erzählt von dem ausländischen Fachmann und Zauberkünstler, der dem General und seinen Leuten in der letzten Woche so sehr geholfen hatte. Was tue ich hier?, fragte ich mich. Wie bin ich in diese Lage geraten?“

Siv kommen langsam Zweifel an seiner Arbeit. Wie kann er das mit seinem Gewissen vereinbaren? Geht es wirklich um die Sicherheit oder nur noch um Kontrolle und Lenkung der Bürger? Andererseits könnte er mit seiner Arbeit auch gute Taten vollbringen … illegal natürlich.

Die Situation spitzt sich weiter zu, als Siv einem Nachbar Hilfe verspricht und dabei Machenschaften der eigenen Regierung aufdeckt. Die spannende Geschichte endet in einem mutigen Showdown. Sarid schafft es geschickt die Hintergründe zu beleuchten, die Siv antreiben, nicht immer mit guten Motiven, und lässt ihn uns Leser als traurig scheiternden Helden erscheinen.

In diesem Roman, der von Ruth Achlama aus dem Hebräischen übersetzt wurde, geht es hauptsächlich um die brisante Story, die Sprache tritt vor der Handlung zurück, was aber hier vollkommen stimmig ist. Das Buch erschien im Kein & Aber Verlag. Eine Leseprobe gibt es hier. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

Ein weiterer brisanter höchst empfehlenswerter aufrüttelnder Roman zum Thema Sicherheit versus Privatsphäre ist „Going Zero“ von Anthony McCarten. Erschienen im Diogenes Verlag:

„Hat man als Einzelner überhaupt eine Chance gegen das System? Eine junge Bibliothekarin aus Boston ist entschlossen, es zu versuchen – ihr bleibt keine Wahl. Und so greift sie zu, als sich die Einladung zu einem ungewöhnlichen Kräftemessen bietet: dem Betatest von FUSION, einem Projekt der US-Geheimdienste und des Social-Media-Moguls Cy Baxter. Wem es gelingt, 30 Tage unauffindbar zu bleiben, dem winken 3 Millionen Dollar. Doch Kaitlyn geht es um etwas anderes.“ (noch nicht besprochen, deshalb Verlagstext)

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