Klaus Modick: Keyserlings Geheimnis Kiepenheuer & Witsch

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Wieder ein Künstlerroman. Nach „Konzert ohne Dichter“, in dem sich alles um die Künstlerkolonie Worpswede und im Vordergrund um den Jugenstil-Künstler Heinrich Vogeler und sein Gemälde »Das Konzert oder Sommerabend auf dem Barkenhoff« dreht, hat sich Modick diesmal des nicht allzu bekannten Schriftstellers Eduard Graf von Keyserling angenommen. Von Keyserling habe ich vor langer Zeit einmal „Wellen“ gelesen und konnte mich ziemlich gut an dessen Geschichte erinnern.

Der Schriftsteller Eduard von Keyserling wurde 1855 im Baltikum geboren. Ein Adeliger, der eher Lebemann und Schriftsteller sein will und so gar nichts mit dem Verwalten der familieneigenen Besitztümer zu tun haben mag. Die Geschichte beginnt Im Jahr 1901. Keyserling lebt in München und gehört einem kleinen Intelektuellenkreis an, der sich in Kaffeehäusern Schwabings trifft. Man diskutiert und streitet über Politk, die Kunst und die Frauen.

„In den Jurys, Kuratorien und Kommissionen, in all diesen Gremien, die darüber befinden, wen man finanziell alimentieren will und wen nicht, wer ein Stipendium bekommt und wer verhungern darf, sitzen die künstlerisch Impotenten und spielen eine desto größere Rolle, je eitler, talentloser und korrupter sie sind. Und das ganze nennt sich dann Kulturpolitik.“

(Ergänzung der Rezensentin: Hier hat sich offenbar bis heute nichts verändert …)

Zur Sommerfrische wird er vom Dramatiker Max Halbe an den Starnberger See eingeladen. Eingeladen sind auch der exaltierte Frank Wedekind und der Maler Lovis Corinth, dem Keyserling  dort auch Modell sitzen wird. Dazu brauchte es einige Überredungskünste, denn Keyserling findet sich hässlich und ist in der Tat auch von der Syphilis gezeichnet.

Gerüche, Geräusche und Farben am See versetzen Keyserling immer wieder in die Vergangenheit, meist in die baltische Heimat zurück. Als Leser merkt man gleich, dass da ein Geheimnis steckt. Irgendetwas muss in seiner Studienzeit vorgefallen sein, was ihn zwang zu reisen und fern der Heimat, zunächst in Wien, Unterschlupf zu suchen, wo er um zu vergessen, eine Liaison mit einem Blumenmädchen eingeht.

„Und der See spricht auch zu Keyserling, atmet Erinnerungen aus. Er braucht ja nur den Artikel auszutauschen, dann wird der See die See, die Ostsee seiner Kindheit. Wellen gibt es dort wie hier, damals wie heute. Der Duft, der Dunst, das Licht. Und der Augenblick.
Mehr braucht er nicht.“

Und so dröselt sich Stunde um Stunde, Tag und Tag mehr an Erinnerungsfäden vor uns Lesern auf. Als Corinths Gemälde beendet ist, ist auch Keyserlings Geheimnis zu Tage getreten. Und für ihn wird die Erinnerung schließlich noch einmal höchst lebendig, als er sich zusammen mit Wedekind im benachbarten Kurort ein Konzert einer Sängerin anhört. Die Dame kommt ihm irgendwie bekannt vor …

Modick schafft es wieder sehr souverän biografische Daten schlüssig in eine Romanhandlung mit biografischem Hintergrund zu gießen. Sprachlich nicht überhöht, eher leichtfüßig (ja, dieses Wort will ich jetzt auch endlich einmal verwenden) und fesselnd geschrieben, hat mich Modick auch mit diesem Roman wieder überzeugt. Möge er mit solchen Romanthemen weiter schreiben …

Das Buch erschien im Verlag Kiepenheuer & Witsch. Eine Leseprobe gibt es hier.
Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

4 Gedanken zu “Klaus Modick: Keyserlings Geheimnis Kiepenheuer & Witsch

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