#weiterschreiben Das Herz verlässt keinen Ort, an dem es hängt Ullstein Verlag

Inzwischen hat sich dieses bereits am 16.1.19 hier auf dem Blog vorgestellte Projekt ein großes Stück erweitert und feiert gerade 5-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass gibt es noch einmal den Beitrag zum Buch und den Hinweis auf das Hörbuch, welches gerade erschienen ist: Dabei sind Autoren, die von Anfang an dabei waren, wie auch ganz viele neue. Siehe unten.

Hörbuch: Weiter Schreiben – (W)Ortwechseln

Ein wirklich tolles Projekt haben sich die Autorinnen Annika Reich und Lina Muzur ausgedacht und in die Tat umgesetzt. Es begann mit der Idee eine Möglichkeit zu finden für Autorinnen und Autoren aus Krisengebieten und/oder im Exil weiter zu schreiben und auch weiter gelesen zu werden. Daraus entstand im Netz eine Website und nun die gedruckte Anthologie.

Das Buch ist innen viel schöner geworden als das Cover verspricht. Ich bin ziemlich begeistert, dass im Buch nicht nur Texte, sondern auch Kunst, bunt sich ausbreitend, enthalten ist. Es ist auch das, was ich zuerst ansehe. Ich bin mit Bildern vertraut, ich nehme vieles wahr, was dahinter steht. Es sind Fotos, Mixed Media-Arbeiten, Malerei und Tusche, die ich selbst als Material so liebe. Ich gehe mit diesem Buch anders um, lese nicht von vorne nach hinten durch, sondern blättere, lese, blättere, schaue.

Deutschsprachige Autorinnen und Autoren trafen sich, real oder über den Bildschirm, um über ihr Schreiben zu sprechen, zu übersetzen oder einfach der Welt des/der anderen zu begegnen. Ob Annett Gröschner mit Lyrikerin Widad Nabi in die Geschichte ihrer Heimathäuser eintaucht, ob Saša Stanišić über ein Lachen von Salma Salem erleichtert ist oder ob der Journalist und Dichter Ramy Al-Asheq überrascht ist, als die Lyrikerin Monika Rinck, bei ihrem Treffen sofort beginnt sein Gedicht zu übersetzen, alle haben einen stimmigen Umgang miteinander gefunden, alle haben sie mich getroffen, nah am Herzen.

Ich werde nicht viel mehr über das Buch schreiben. Das entscheide ich gerade beim Blättern. Ich werde kurz aufzeigen, was es für mich so wertvoll macht, stärker, als ich vorher dachte. Es erzählt von Menschen, die das tun, was ich auch tue, Schreiben, trotz aller Widrigkeiten, innerer und äußerer. Ob im Innen Krieg herrscht oder im Außen – Schreiben bleibt.

Auszug aus dem Gedicht „Briefe an 14 Gazellen“ von Widad Nabi

„Nachts werde ich alt
heimlich vor der Zeit,
ohne dass mich jemand sieht.
Ich werde hundert Jahre alt.
Die Traurigkeit, die unter meiner Haut wächst,
wird zum Gedicht,
und ich bleibe, wie ich bin,
eine kleine Gazelle im Spiegel der Quelle.

Auszug aus „Das Herz eines Wolfes kochen“ von Rabab Haidar

„Wölfe werden immer nur mit Männern in Verbindung gebracht: Männer essen ihre Herzen und die Wölfe essen ihre. Wölfe werden Männer und verwandeln Männer in Wölfe.
Frauen hingegen werden mit Schlangen, Skorpionen, Eulen, Mäusen, Katzen oder Kaninchen assoziert. Mit Wölfen nicht.
Wie soll ich nur von mir erzählen?“

Auszug aus dem Gedicht „Den Dichtern folgt die Traurigkeit“ von Ramy Al-Asheq 

„Den Dichtern
folgt nur die Traurigkeit

Sie erwacht wie ein Funke an Fingerspitzen
und schläft ein
wischt man eine Träne
fort
mit den Fingerspitzen

Geboren wird sie
unbefleckt
bevor die Sprache sie überfällt
und benennt

Sie tritt ein mit dem Wind
und fährt aus mit der Seele“

Ich lege dieses Buch allen sehr ans Herz. Es ist eine Schatztruhe, eine Wunderlampe, ein Leuchten!

Das Buch erschien im Ullstein Verlag. Alle Beteiligten hier aufzuführen würde den Rahmen sprengen, sie sind aber im Buch und auf der Verlagsseite zu finden, wo es auch eine Leseprobe gibt. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

Hinweis: Der Umstand, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, hat keinerlei Auswirkung auf meine Wahrnehmung und Rezension des Buches.

Der Beitrag erschien zum ersten Mal am 16.1.19.

Lucy Fricke: Die Diplomatin Claassen Verlag

20220217_144939613851663239126346

Auf Lucy Frickes neuen Roman war ich aufgrund des Themas sehr gespannt. Ihr letztes Buch, das sehr gelobt wurde, hatte ich nur angelesen. Doch frühere Romane mochte ich sehr. Die Geschichte einer Diplomatin stellte ich mir hoch interessant vor und hat mich auch gleich anfangs an den sehr empfehlenswerten Roman „Schutzzone“ von Nora Bossong über eine Frau, die bei den Vereinten Nationen arbeitet, erinnert. Beide Romanheldinnen wollen in ihrem Beruf Gutes tun und womöglich damit ein Stück weit „die Welt retten“, was natürlich zum Scheitern verurteilt ist.

„Ich hatte mich für diesen Beruf entschieden, weil ich etwas bewirken wollte. Und jetzt hatte ich eine geschlagenen Stunde über Grillfleisch und Bratwürstchen diskutiert.“

Es geht um Fred, eigentlich Frederica, Ende vierzig und deutsche Botschafterin in Montevideo, einer eigentlich ruhigen, entspannten Stelle, wenn man vorher in Bagdad eingesetzt war. Fred bereitet die Feier zum Tag der deutschen Einheit vor, als sie die Nachricht erhält, dass die Tochter einer deutschen Medienmogulin in Uruguay vermisst wird. Sie leitet die Suche ein, berichtet aber von der mutmaßlichen Entführung zu spät an das Krisenzentrum. Als die junge Frau tot aufgefunden wird, lässt die Mutter ihren Einfluss spielen und rächt sich an Fred. Sie wird nach Istanbul strafversetzt.

Dort trifft sie auf Phillip, den sie aus Bagdad kennt und der inzwischen in Ankara Botschafter ist. Bei einer Party trifft sie auch David wieder, einen deutschen Reporter, der in Uruguay über den Entführungsfall berichten sollte. Bald schon kommt eine neue Aufgabe auf sie zu: Es geht darum einen jungen Mann mit deutschem Pass und kurdischer Abstammung, dessen Mutter Meral, eine regimekritische Künstlerin, in Istanbul im Gefängnis ist, zu unterstützen und letztlich auch zu schützen. Bei der Einreise nahm man ihn fest, bald darf er sich zwar wieder frei im Land bewegen, aber nicht mehr ausreisen.

„Der Vorwurf war immer der gleiche, altbekannte und jederzeit anwendbare: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Ein Beweis dafür war bis heute ausgeblieben, wahrscheinlich würde er nie kommen.“

Als der Prozess für Meral angesetzt ist, treffen sich alle mit der Rechtsanwältin Elif und bereiten sich auf den entscheidenden Tag vor. Doch es kommt zu einer Vertagung. Dann nimmt die Geschichte enorm an Fahrt auf. Der Journalist David kontaktiert Fred; er arbeitet an einer gefährlichen Sache, auch ihn will man mundtot machen. Merals Sohn versucht über die Grenze zu fliehen, wird aufgegriffen, bekommt erneut Hausarrest. Meral selbst wird auf die Krankenstation eingeliefert. Die Diabetikerin hat eine zu hohe Dosis Insulin bekommen. Suizidversuch oder versuchter Mord? Wochen später kommt es in einer neuen Verhandlung zum Freispruch. Doch auch hier gibt es weitere Komplikationen bei der Freilassung.

„Kann es sein, dass du uns nicht vertraust?“
Meine übliche Flucht in den Plural, in die Funktion, das Amt, die Regierung. Wenn ich wollte, war ich nur ein Land.“

An Fred gehen diese Aufregungen und die stete Gefahr etwas fatal Falsches oder nicht genug zu tun, nicht spurlos vorbei. Sie beginnt an ihrer Aufgabe zu zweifeln, fühlt sich nicht mehr stark genug. Und bricht zum ersten Mal in ihrer Laufbahn die Regeln, sich niemals persönlich involvieren zu lassen. Mithilfe ihrer Haushälterin bereitet sie einen ausgeklügelten Plan zur Flucht aus der Türkei vor …

Lucy Fricke ist hier ein ziemlich kluger Roman gelungen, der genau die Neugier befriedigt hat, die ich vor der Lektüre hatte. Etwas mehr Einblick in die Arbeit einer Diplomatin/Botschafterin zu bekommen, verbunden mit einer perfekt gelungenen spannenden Handlung. Der Roman ergänzte außerdem das, was ich bereits über die Zustände in der Türkei wusste, aus den Medien und natürlich auch aus den Texten der auch sprachlich so großartigen Schriftstellerin Aslı Erdoğan, die ebenfalls in jenem Frauengefängnis inhaftiert war, wie die Meral im Roman und die nach ihrer Freilassung nun in Deutschland im Exil lebt.

Der Roman erschien im Claassen/Ullstein Verlag. Eine Leseprobe gibt es hier. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

Ein interessantes Interview mit Lucy Fricke auf dem „Blauen Sofa“ hänge ich hier an:
https://www.zdf.de/kultur/das-blaue-sofa/fricke-blaues-sofa-leipzig-18-03-2022-100.html

George Orwell/Fido Nesti: 1984 Graphic Novel Ullstein Verlag

20211120_1536512456455287212938081.jpg

Vor einiger Zeit lief bei einem Themenabend „Demokratie“ der Film „1984“ in der SW-Version von 1956 im Fernsehen. Auch diese ältere Verfilmung verfehlte ihre Wirkung beim Ansehen nicht: Beklemmung angesichts der Aktualität. George Orwell schrieb seinen dystopischen Roman von 1946-48.

Wesentlich ausführlicher und noch weniger optimistisch ist der Roman zu lesen und auch diese Graphic Novel von Fido Nesti. Seine Bilder zum für diese Ausgabe angepassten Text sind eindrücklich, düster und teils drastisch. Die Farbpalette geht von Rot bis Schwarz in ihren jeweiligen Abstufungen. Der Band ist DIN A4 groß und der Buchblock in einen stabilen Karton eingebunden. Teilweise klassisch comicartig mit Sprechblasen zu den Dialogen, teilweise mit beschrifteten Einzelbildern. Manche Bilder sind ganzseitig groß und wirken entsprechend gruselig. Zwischendurch gibt es einzelne Kapitel ausschließlich mit Text, immer dann, wenn Winston aus dem verbotenen Buch liest. Dann erfahren auch wir, was es mit den drei großen Staaten und dem endlosen Kriegszustand auf sich hat. 

1984: Wir lernen eingangs Winston Smith kennen, den Hauptprotagonisten. Er lebt in London, das inzwischen Hauptstadt der Provinz Ozeanien ist. Das Land führt dauerhaft Kriege gegen die anderen zwei Provinzen der Erde. Big Brother ist die absolute, unantastbare oberste Instanz. Ihm gebührt aller Dank, er denkt für alle, er sieht alles. Im zerbombten London gibt es das Ministerium für Liebe, für Wahrheit, für Frieden und für Überfülle, die sich mit genau dem jeweiligen Gegenteil befassen. Winston gehört zur Gruppe der äußeren Partei. Ein Parteimitglied lebt von der Geburt bis zum Tod unter den Augen der Gedankenpolizei. Winston hat in seiner Arbeit Nachrichten zu betreuen. Dabei muss er Nachrichten so verändert schreiben, dass das von der Partei unerwünschte durch Erwünschtes, sprich Lügen, ersetzt wird. Seine ganze Abteilung ist tagein tagaus mit dem „Verbessern“ der Nachrichten beschäftigt. Zuhause beginnt er Tagebuch zu schreiben, was nicht erlaubt ist und was nur gelingt, weil der Monitor von Big Brother, der alles sieht und der in jeder Wohnung installiert ist, eine blinde Stelle hat. Privatheit gibt es nicht mehr. Als eine Kollegin sich in Winston verliebt, suchen die beiden sich geheime Freiräume, um sich zu zweit unbeobachtet zu treffen, was jedoch irgendwann auffliegt, denn es mangelt in diesem System nicht an Denunzianten.

Beide werden verhaftet und es beginnt ein langes Martyrium. Winston weiß nicht mehr, ob Stunden, Tage oder Monate vergehen. Er wird in Einzelhaft gefangen gehalten und in Abständen immer wieder in die Folterkammer gebracht, wo er die schlimmsten Leiden erfährt und sein Wille gebrochen werden soll. Tatsächlich gelingt es sein Denken auszuschalten, nicht aber sofort sein Fühlen. Sein Folterknecht, einer aus der inneren Partei, kennt aber letztendlich Mittel und Wege auch das Fühlen auszuschalten und in einem letzten Schritt ist Winston sogar bereit seine große Liebe Julia zu verraten. Als nun vollkommen automatisch funktionierendes Wesen erhält er eine neue, niedrigere Arbeit und ist schließlich sogar überzeugt davon, Big Brother zu lieben. Selbst als er Julia noch einmal trifft und erfährt, dass auch sie ihn verraten hat, ändert sich nichts, beide sind füreinander verloren. Ein bitteres Ende.

Gerade im letzten dritten Teil geht es in den Bildern sehr schlimm zu, wie ich finde, die Gefängnis- und Folterszenen haben es in sich und sind nichts für schwache Nerven. Nesti zeichnet das zwar brillant und sehr vielschichtig in unterschiedlichsten Dimensionen, aber eben auch drastisch.

Mich hat die Lektüre tatsächlich sehr erschreckt, denn manches aus den ersten beiden Teilen des Buches empfinde ich gar nicht mehr als dystopisch, manches bildet sich schon derzeit in unserer Gesellschaft ab. Wo es bei Orwell noch die täglichen „Hass-Minuten“ gibt, wird in den sozialen Medien tagtäglich alles andere als nur 4 Minuten gehetzt. Wo es die strikte Trennung zwischen Parteiangehörigen, inneren und äußeren, mit entsprechenden Privilegien und dem normalen Volk, den Proles, die trotz anstrengender Arbeit in Armut und Elend lebt, gibt, macht sich in unserer Realität auch bereits eine Spaltung bemerkbar, eine Zweiklassengesellschaft, ein Arm oder Reich und kaum mehr etwas dazwischen. Und auch die Privatsphäre wird mehr und mehr durchleuchtet und überwacht, sei es durch die Algorithmen der sozialen Medien oder durch die neuen Gesundheitsapps und digitalen Zertifikate. Von Datenschutz kann vielerorts kaum mehr die Rede sein. Sogar die Gedankenpolizei scheint in unserer Gegenwart angekommen … Und über allen „Big Brother“. Wie hellsichtig Orwell war, ist schon sehr erstaunlich.

Im Anhang findet sich eine mehrere Seiten lange Appendix, die das „Neusprech“ erklärt, einer sehr einfach gehaltenen Sprache, die man sich als Literatur- und Sprachfreundin nicht wirklich wünscht.

Das Buch erschien im Ullstein Verlag. Es wurde aus dem Englischen übersetzt von Michael Walter. Eine Leseprobe gibt es hier. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

Christiane Ritter: Eine Frau erlebt die Polarnacht Ullstein Verlag

20191225_1117429185270004413672099.jpg

„Diese Landschaft hat nichts Irdisches mehr. Sie scheint in ihrer Entrücktheit ein in sich geschlossenes Leben zu führen. Sie ist wie der Traum einer Welt, der sichtbar wird, bevor er sich zur Wirklichkeit gestaltet.“

Es ist faszinierend: Christiane Ritter, geboren 1898 in Karlsbad, aus wohlhabender Familie, reist im Alter von 36 Jahren zu ihrem Mann, der sich schon länger in der Arktis aufhält, nach Spitzbergen, um dort ein Jahr lang mit ihm in einer winzigen Hütte ohne Komfort in absoluter Einsamkeit zu verbringen. Und was sie anfangs selbst nicht glaubt, sie erliegt dem Zauber der Natur, der Stille und der weißen Weite.

Bereits im letzten Winter hatte ich mir dieses Buch gekauft. Offenbar hat es aber jetzt erst den richtigen Zeitpunkt des Lesens gefunden. Wohl auch, weil der kühle Norden mich immer mehr anzieht. Wie man schon an obigem Zitat erkennen kann, liegt die Besonderheit dieses Buches nicht nur an der Außergewöhnlichkeit, dass eine Frau 1934 mit ihrem Mann, einem Kapitän und Abenteurer, einen dunklen Winter im eisigen Spitzbergen unter schwierigsten Lebensbedingungen verbringt, sondern auch an der großartigen Sprache Ritters. Sie schafft es, all das, was man hier im gemütlichen mitteleuropäischen Winter so gar nicht kennt, in Worte zu fassen, die genau die Stimmung dieses nordischen Landstrichs spiegeln.

Und sie zeigt auch, dass Frauen all das auch können. Immer schon konnten. Christiane Ritter wusste ihre kleine Tochter bei den Großeltern gut versorgt und lebte ihren Traum und ließ sich dabei nicht von damaligen Konventionen beirren. „Laß alles liegen und stehen und folge mir in die Arktis“, schrieb ihr Mann und sie tat es. Ich bin von diesem Reisebericht, der letztlich auch Überlebens/Erwachensbericht ist, zutiefst beeindruckt. Gleich nach der Ankunft, ihr Mann ist längere Zeit auf der Jagd, erlebt sie allein in einer winzigen Hütte einen tagelang dauernden Sturm. Dies durchzustehen, war Vorbereitung auf die „Polarnacht“ (vier Monate lang ist die Sonne nicht zu sehen) und gab ihr die Kraft den Winter mit all den Entbehrungen zu überstehen. Und nicht nur das: aus jedem ihrer Sätze klingt die große Faszination, die eine solche Landschaft im Menschen auslösen kann, an. Die Weite, das Licht, das Dunkel, die Nähe zur alles überwältigenden Natur, das auf sich selbst zurückgeworfen sein klingt durch jede Zeile.

Im Laufe des Winter müssen die Ritters monatelang ohne frisches Fleisch auskommen, weil sie abhängig sind vom Auftauchen von Eisbären, die mit dem Packeis an Land kommen. Robben, Füchse und Enten werden geschossen und bevorratet. Die Daunen gesammelt, die Felle gegerbt. Hier wird einem klar, was Jagd eigentlich einmal bedeutete. Ritter beschreibt, wie wichtig die winzigen Hütten sind, die verteilt über die Fjorde stehen, um unterwegs Schutz vor Wetter und Kälte zu finden. Sie erläutert, wie es sich anfühlt bei minus 35 Grad mit Skiern über das zugefrorene Meer zu fahren, wie es ist keine Geräusche mehr zu hören oder lauthals tobende Stürme. Sie macht die Erfahrung mondsüchtig zu werden oder geisterhafte Naturphänomene zu erleben, die an Hellsichtigkeit grenzen. Heutzutage würde man sagen, sie findet im Einklang mit der (damals noch intakten) Natur zu sich selbst. Doch was sie schreibt ist so klug und wichtig, dass ihr Reisebericht Jahrzehnte überdauerte. Für mich ist dieses Buch in jeder Hinsicht besonders: es ist feministisch, es ist spirituell und es ist sprachlich beeindruckend. Eine echte Perle. Polarlichtleuchten!

Christiane Ritter lebte nach ihrer Reise wieder in Mitteleuropa, seit 1985 in Wien. Sie wurde 103 Jahre alt. Ihr Buch ist mit eigenen Illustrationen bereichert. Es erschien 1938 zum ersten Mal und erlebte bis heute unzählige Neuauflagen und Übersetzungen. Meine Taschenbuchausgabe erschien im Ullstein Verlag. Hier finden sich interessante Infos zu den Buchausgaben.

Johanna Holmström: Die Frauen von Själö Ullstein Verlag

Själö_Seili_sign

Als die Autorin Johanna Holmström, die einer schwedischsprachigen Minderheit in Finnland angehört, 2015 in einem Archiv auf Patientenakten einer Heilanstalt auf der winzigen finnischen Schäreninsel Själö stieß, fing sie an weiter zu recherchieren. Entstanden ist ein aufschlußreicher Roman über die Zustände in einer Nervenheilanstalt Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Auf Själö wurden sogenannte geisteskranke Frauen weggesperrt, wobei die meisten von ihnen niemals mehr die Insel verließen. Von Heilen konnte keine Rede sein. In ihrem Vorwort weist die Autorin auf eine der zahllosen schrecklichen „Heilmethoden“ damals hin.

Holmström schildert den Aufenthalt zweier Frauen in der Anstalt auf Själö und verbindet beide mit der Pflegerin Sigrid, die ihr ganzes Arbeitsleben auf Själö verbringt. Da ist zunächst Kristina. Sie kommt im Jahr 1899 auf die Insel, weil sie ihre beiden kleinen Kinder ertränkt hat. Der Pfarrer schützt sie vor dem Gefängnis und fortan lebt sie auf Själö als Geisteskranke. Nach und nach erzählt uns die Autorin dann die Hintergründe, die zur Ermordung der beiden Kinder führten. Kristina wurde mit 16 vergewaltigt, bekam eine Tochter und galt fortan als leichtes Mädchen. Als sie mit 24 Einari kennenlernt, fühlt sie zum ersten Mal Liebe. Die beiden lösen sich von ihren wohlhabenden Elternhäusern und leben arm und unverheiratet zusammen. Ein Sohn wird geboren. Doch als ihr Mann sich entschließt fortan zur See zu fahren, um schnell Geld zu verdienen für ein besseres Leben, bleibt Kristina eine Ausgestoßene. Ihr wächst die Arbeit und die Betreuung der Kinder über den Kopf. Völlig erschöpft, wünscht sie sich nur noch Ruhe. In diesem Zustand lässt sie die schlafenden Kinder aus dem fahrenden Boot ins Wasser gleiten. Auf Själö lebt sie sich nach einer Weile ein und darf sogar extern den Haushalt des neuen Pfarrers übernehmen. Als dessen Ehefrau mit Kindern im gleichen Alter ihrer verstorbenen Kinder auf die Insel und ins Pfarrhaus einzieht, nimmt das Unglück seinen Lauf.

Als die 16-jährige Elli 1934 auf die Insel kommt, lebt Kristina wieder und immer noch dort. Elli ist von zuhause heimlich mit ihrem Liebhaber getürmt. Als die Polizei sie verfolgt, da sie angeblich Raubüberfälle verübt hatten, gelingt es Maurice zu fliehen. Elli wird jedoch gefasst, kommt zunächst ins Gefängnis, wegen ihres auffälligen Verhaltens und wegen der Intervention der Eltern dann aber auf die Insel. Dass Elli zuhause von der kühlen Mutter vernachlässigt und vom Vater kaum wahrgenommen wurde und sie als Teenager in eine tiefe Depression glitt, die mit einem Selbstmordversuch einherging, erfahren wir zwischendurch in Rückblicken.

„Sie hatte schon vor ein paar Jahren angefangen, sich im Herbst zu grämen, weil er leise und schläfrig das Licht hinter sich herschleifte und mitnahm und es immer schwerer wurde, die Dunkelheit zu ertragen.“

In den 30/40er Jahren ist außerdem sogar in Finnland eine bestimmte „Rassentheorie“ angekommen. Elli wird als Gemischtrassige ostbaltischen Typs eingestuft. Auch hier wird, was mir nicht klar war, die Sterilisation bei Frauen, die nicht der rein-schwedischen Rasse entsprachen (und dann noch als geisteskrank galten), angewandt.

Holmström wirft einen genauen Blick auf die Frauen, über die sie schreibt. Und sie hat große Empathie für sie. Es gelingt ihr sehr spannend und stimmig Kristinas Geschichte zu erzählen, während sich Ellis Geschichte schon sehr in die Länge zieht. Sigrid, die Pflegerin, bleibt, obgleich sie am Ende noch ein kürzeres eigenes Kapitel erhält, für mich eher wenig greifbar. Vielleicht wäre die Beschränkung auf eine Frauenfigur oder eine dichtere Struktur hier sinnvoller gewesen.

Auch sprachlich scheint mir der erste Teil weit besser gelungen. Teils poetische Sequenzen wechseln sich hier mit realistischen, traurig-trüben Beschreibungen des Anstalt-Alltags ab. Dennoch gibt das Buch einen guten Einblick in die Zeit als die Psychiatrie noch Irrenhaus genannt wurde und die meisten Patientinnen aus heutiger Sicht, wohl eher dort erst „irre“ wurden. Hier zeigt sich auch wieder die Aburteilung der Frau als hysterisches Wesen durch einen männlichen Arzt.

„“Mit der weiblichen Natur verhält es sich so, dass sie zyklisch ist. Das gilt auch für den weiblichen Wahnsinn. Der Zusammenhang zwischen diesen Wahnsinnszyklen und der Menstruation ist in den meisten Fällen offensichtlich, und sobald die Menstruation aufhört, hört sehr oft auch der Wahnsinn auf. Deswegen hatten schon viele das Glück, zu diesem Zeitpunkt entlassen zu werden“, erklärt er.“

„Die Frauen von Själö“ erschien im Ullstein Verlag. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

Ich habe außerdem drei weitere sehr empfehlenswerte Romane, die sich mit dem Thema befassen, auf dem Blog besprochen:
Christine Lavant: Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus
Amalie Skram: Professor Hieronimus
Nelly Bly: 10 Tage im Irrenhaus

Hinweis: Der Umstand, dass es sich um ein Rezensionsexemplar handelt, hat keinerlei Auswirkung auf meine Wahrnehmung und Rezension des Buches.

Lukas Rietzschel: Mit der Faust in die Welt schlagen Ullstein Verlag

9783550050664_cover mit der faust

Bereits das Buchcover, das mir ziemlich gut gefällt, weist auf die folgende Geschichte hin. Da ist es aus mit der Romantik eines Caspar David Friedrich (Umschlagbild: Hügel mit Bruchacker bei Dresden), aus mit der heilen ländlich, dörflich, kleinstädtischen Welt, da kreuzt die Faust, die Gewalt das ruhige Dahinleben. Auch in der Epoche der Romantik gab es zeitgleich den Drang zur Weltflucht und die Ausrichtung ins Private, aber auch ein Suchen der Identität in Richtung Nationalismus. Und natürlich Heinrich Heine: Deutschland Ein Wintermärchen, seinerzeit als Schrift eines „Vaterlandsverräters“ beschimpft.

Dass der Roman teils biografisch ist, sagt der Autor selbst. Und dieses Debüt des 23-jährigen Lukas Rietzschel lebt von seiner Geschichte, von einer Geschichte, die aktueller und brisanter nicht sein könnte. Er zeigt, wie Misstrauen und Hass sich langsam und unscheinbar, aber stetig entwickelt in einer zunächst heilen Welt …

Die Geschichte einer zerfallenden Familie ist es. Sie zieht sich über 15 Jahre hinweg von 2000 bis 2015 und ist angesiedelt in Neschwitz in der Lausitz. Zwei Jungs, Philipp und Tobi, kleiner Altersunterschied, und Eltern, die gerade ein Haus bauen, die beide Arbeit haben. Ihnen geht es besser, als anderen in dem kleinen Ort in Sachsen. Viele haben ihre Arbeit verloren und mancher versinkt in Alkohol und Sinnlosigkeit.

Ganz langsam baut sich ein Szenario auf: Die Jungs, denen langweilig ist, die auf der Suche sind und die „falschen“ Freunde finden. Viele ziehen weg, von Zukunft kann hier keine Rede sein. Die Ehe der Eltern zerbricht. Der geliebte Großvater stirbt. Viel Hoffnung bleibt da nicht. Zunächst sind da die Sorben, diese kleine nationale Minderheit mit der eigenen Sprache die in der Lausitz lebt und die von der Clique der Brüder als Fremde angefeindet werden. Und dann all diese Massen von Fremden aus Afrika und Arabien, die Unterkunft und Geld bekommen, während im Ort Schule, Sparkasse, Läden geschlossen werden. Leise schleicht sich der Hass in die Gemüter der Menschen, die sich zurückgelassen fühlen. Rietzschel macht das sehr glaubwürdig, buhlt aber nicht um Verständnis, klärt nur auf.

„Deshalb ist man doch kein Nazi“, sagte Philipp und drehte sich um. Das erste Mal sah er Christoph wieder ins Gesicht. „Alle anderen dürfen stolz auf ihr Land sein“, sagte er, „nur in Deutschland ist das verboten!“.

Einer der Brüder, Philipp, der ältere, zieht sich zurück aus der Szene, will selbständig werden, will weg an einen besseren Ort. Tobias hingegen macht mit und zwar aktiv. Er will nicht hinnehmen, dass „sein“ Land, dass, was ihm zusteht, von diesen Fremden genommen wird. Was anfangs noch als Ausraster im betrunken Zustand an Silvester geschieht, wird immer aggressiver. Tobias und seine Freunde werden gezielt gewalttätig. Übergriffe werden genau geplant und rigoros durchgeführt. Tobias, der sich von Mutter, Vater und Bruder missverstanden und abgelehnt fühlt, sich aber eigentlich nach Zugehörigkeit sehnt, findet nirgends mehr Halt und übergibt sich voll dem Hass und der Gewalt.

Lukas Rietzschels Sprache mit ihren stakkatohaften, teils abgehackten und fragmentartigen Sätzen wirkt zunächst unbeholfen, unvollständig, passt aber zunehmend zur bedrohlichen Entwicklung der Geschichte. Ein wenig mehr Tiefe hätte dem Roman dennoch gut getan. Trotzdem ein recht gutes Debüt!

Der Roman des erst 23-jährigen Autors erschien im Ullstein Verlag. Eine Leseprobe gibt es hier. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

Nino Haratischwili: Das achte Leben (Für Brilka) Frankfurter Verlagsanstalt/ Ullstein Verlag

DSCN2201

Was für eine Geschichte! Nino Haratischwili hat mit „Das achte Leben“ einen hochkarätigen Roman über eine georgische Familie geschrieben, der auch gleichzeitig die Geschichte Georgiens als Teil der Sowjetunion aufzeigt. Beginnend im Jahr 1900 spannt Haratischwili einen Bogen fast bis zur Gegenwart. Sie hat auch soeben den Bertolt-Brecht-Preis und das Stipendium des Lessing-Preises 2018 gewonnen. Beinahe 1300 Seiten dick ist der Roman und es ist keine Seite, keine Zeile zuviel.

„Weil es ein Geheimrezept ist. Eine kleine Dosis meines Geheimnisses mische ich in alle unsere Schokoladenwaren, aber das Rezept ist ursprünglich für diese Heiße Schokolade erfunden worden, die du nun kosten durftest. Aber … Er hielt inne und sah seine Tochter unablässig an. – Aber sie ist gefährlich.“

Seit der Lektüre dieses beeindruckenden Romans habe ich ein Faible für Heiße Schokolade. Denn alles beginnt in einer Schokoladenfabrik in einer Kleinstadt in Georgien. Es beginnt mit dem Konditormeister, Stasias Vater und dessen Geheimrezept für Heiße Schokolade. Es beginnt mit Stasia, die im Jahr 1900 geboren wird und sich später in Simon Jaschi verliebt, einem Oberstleutnant der weißen Garde. Haratischwili teilt den opulenten Roman in 7 Kapitel auf, die jeweils vorwiegend einem Familienmitglied gewidmet sind, das 8. und letzte Kapitel heißt Brilka und es ist noch leer, denn es wird gerade erst gelebt. So entsteht dann ein beeindruckender Familienstammbaum, wie er am Ende des Buches abgedruckt ist, der hilfreich ist, um den Überblick über die Figuren zu behalten, die einem allesamt ans Herz wachsen, egal wie schrullig oder kompliziert sie auch sind.

Immer wieder ist es spannend zeitgeschichtliches statt mit dem westlichen Blick, mit dem Georgiens zu betrachten. Was beispielsweise dort geschah, nachdem Gorbatschow Staatsoberhaupt der Sowjetunion wurde, sieht von dieser Warte aus betrachtet ganz anders aus. Wirklich spannend vermischt die Autorin georgische und sowjetische Geschichte mit dem Leben der zahlreichen Familienmitglieder. Die Personen sind rundweg großartig geschildert: ob nun hoher Parteifunktionär, Spion, Popsängerin, Geisterseherin, Schauspielerin, Filmemacher, bildschöne Tante, jähzorniger Großvater, Tänzerin, alle tragen schwer an ihrer Vergangenheit, an ihrer Herkunft, immer beeinflusst von der wechselvollen Geschichte ihres Landes. Schauplätze sind außer Tbilissi, wo die Erzählerin 1973 geboren wurde, Petrograd, Leningrad, Prag, Wien, London. So gerät der/die Leser*in die Wirren der Revolution in Moskau, hört von der Straße des Lebens, die zur Versorgung Leningrads während des Krieges übers Eis führte, erlebt das Prag zur Zeit des Prager Frühlings und die Zeit des Kalten Krieges. Bis zum Ende bleibt es spannend.

Ich danke Nino Haratischwili für diesen Roman, der mir in unvergleichlicher Weise so viel über ihr Land und eine schier unglaubliche mitreißende Familiengeschichte erzählt. Ich bin gespannt auf den neuen Roman. Große Empfehlung! Ein Leuchten!

Der Roman ist gebunden in der Frankfurter Verlagsanstalt und auch als Taschenbuch bei Ullstein erhältlich, wobei sich die gebundene Ausgabe aufgrund des Seitenumfangs als stabiler anbietet. Eine Leseprobe gibt es hier.

Karine Tuil: Die Zeit der Ruhelosen Ullstein Verlag

DSCN1895

Karine Tuil, 1972 in Paris geboren, Juristin und Schriftstellerin mit tunesischen, jüdischen Wurzeln hat selbst ihre Kindheit in den Banlieus verbracht. „Die Zeit der Ruhelosen“ ist bereits ihr 10. Roman und erzählt von den Klassenunterschieden im heutigen Frankreich. Tuil packt politisch brisante Themen an und weiß stimmig konstruierte Geschichten daraus zu machen, in denen es an Kritik am System nicht mangelt. Ihr 500-Seiten-Roman ist in keiner Sekunde langweilig – selten nehme ich das Wort Pageturner in den Mund, doch hier passt es. Der Roman besticht mit seinem komplexen spannenden Inhalt.

Es gibt vier Hauptfiguren, um die sich die ganze Geschichte dreht. Da ist zunächst Romain Roller, ein französischer Soldat, der aus Afghanistan zurückkommt und stark traumatisiert nicht mehr in seine frühere Rolle mit Frau und Kind zurückfindet. Er hat eine spontane Affäre mit Marion Decker, einer Journalistin, die die zurückgekehrten Soldaten interviewt. Was einmalig sein sollte, wird zur Obsession, obgleich beide verheiratet sind. Marion ist mit dem deutlich älteren stinkreichen Geschäftsmann und Tausendsassa François Vely verheiratet. Und dann gibt es noch Osman Diboula, der auf eine steile politische Karriere aus ist, obwohl oder gerade weil er aus der in den Banlieus lebenden Unterschicht kommt und ein Schwarzer ist. Aus dieser Zeit kennt er auch Romain, den er als Sozialhelfer betreute. Als er gerade die Hand nach der Macht ausstreckt,  wird er durch eine unbedachte Bemerkung wieder von der Karriereleiter gestoßen. Seine Beziehung mit der ebenfalls politisch engagierten Sonia droht in die Brüche zu gehen. Doch er ist zäh und ein Skandal um Vely, lässt ihn unerwartet wieder Aufwind bekommen und höher steigen als zuvor.

„Wenn man an der Macht war, wandte man die Regeln der Kriegskunst an. Man griff zu den Waffen, wenn man erobern wollte, und tat dies auch, um sich seinen Platz zu sichern. Man ließ geliebte Menschen fallen. Man verriet, man verletzte. Man tötete, auch das. Unser Leben gegen euren Tod“

Vely hingegen ist tief gefallen, ihm wird Rassismus vorgeworfen, nachdem er für ein Interview für ein Foto-Magazin auf einem Thron, einem Kunstobjekt, abgelichtet wurde, der eine nackte schwarze Frau zeigt. Doch nicht genug, entdeckt man plötzlich, dass er jüdische Wurzeln hat (der Name Vely war früher Levy) und er wird nun von Antisemiten angefeindet.
Romain und Marion können weder mit- noch ohne einander und so lässt sich Romain als Söldner für eine Sicherheitsfirma im Irak anwerben.

Zum Showdown kommt es, als Diboula, inzwischen Minister für Außenhandel, eine Reise zu einer Handelsmesse in den Irak organisieren soll. Er lädt Vely ein, der seine Geschäfte in den nahen Osten ausdehnen will, da ein Partner in den USA aufgrund des Skandals aus einer geplanten Fusion aussteigt. Kurz entschlossen kommt Marion mit auf diese Reise. Es kommt wie es kommen muss, alle vier treffen in diesem gefährlichen Land aufeinander …

Karine Tuil kennt sich bestens aus in der politischen Landschaft Frankreichs. Sie legt Finger in die Wunden, sie legt bloß, was zu gerne von Politikern unter den Tisch gekehrt wird. Sie zeigt, wie sich die Oberschicht verhält, wie wenig Chancen den einfachen Leuten bleiben. Sie ist sich des Abgrunds bewusst, der zwischen Arm und Reich immer größer wird. Sie schildert die Machtverhältnisse. So stark unterscheidet sich Frankreich da von Deutschland wohl nicht …

Ich wünsche diesem Buch ganz viele aufmerksame, engagierte Leser*innen.

„Die Zeit der Ruhelosen“ erschien im Ullstein Verlag. Übersetzt wurde es von Maja Ueberle-Pfaff. Eine Leseprobe gibt es hier.
Weitere Besprechungen gibt es bei Constanze von Zeichen & Zeiten und auf dem Blog reingelesen