Amy Liptrot: Nachtlichter btb Verlag

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In Aspekte wurde kürzlich Amy Liptrots Roman so anziehend vorgestellt, dass ich um diese Lektüre nicht umhinkonnte. Im Beitrag erzählt Liptrot von ihrer Alkoholsucht und von der Überwindung dieser, die sie ohne die Natur nicht geschafft hätte. Die Autorin lebte die ganze Kindheit und Jugend auf den Orkneyinseln. Die Bilder dieser Naturfülle im Aspekte-Beitrag sind wunderschön und Liptrot gelingt es diese Schönheit in ihrem Buch klingen zu lassen.

„Das Rütteln an den Grundfesten meines Lebens durch die psychische Erkrankung meines Vaters, wurde verstärkt durch die extreme Religiosität meiner Mutter und durch die Landschaft, in die ich hineingeboren worden war, …“

Als Jugendliche werden ihr die Insel und der elterliche Hof langweilig. Sie sehnt sich nach London. Dort angekommen gerät sie immer tiefer ins Partyleben, lebt exzessiv und verfällt nach und nach dem Alkohol. Durch diese Sucht verliert sie mehrmals ihre Jobs und Wohnungen und letztlich ist sie auch Ausschlag für das Ende einer Beziehung. Mehrmalige eigene Versuche des Entzugs scheitern. An einem bestimmten Punkt entscheidet sich Amy für den 12-Schritte-Entzug, der hart ist, sie aber letztlich erkennen lässt, das es der einzig richtige Schritt war. Sie hält durch. Um Abstand zu gewinnen, fährt sie zurück auf die Orkneys, und bleibt. Sie bekommt einen Job als Vogelwartin und lernt aus der Natur ihre Stärke zu ziehen, sich einzulassen auf ihre Gefühle. Und sie bleibt trocken, auch wenn es immer wieder diese Momente gibt: Sie weiß nun, sie kann sie auch anders füllen, diese Leere.

„Ich lerne Freiheiten zu erkennen und zu schätzen: räumliche Ungebundenheit, frei zu sein von schädlichen Zwängen. Ich fülle die Leere mit neuem Wissen und mit Momenten der Schönheit.“

Sie beschäftigt sich mit der Geschichte der Inseln, spürt den mythischen Sagenwelten der Inselgruppe nach, gewinnt aus dem Gehen und Wandern bei jedem Wetter Kraft und Ruhe, schließt sich der Eisbär-Schwimmgruppe an, die sich zu jeder Jahreszeit gemeinsam ins Meer stürzt. Sie lernt Schnorcheln und liest sich in die faszinierenden Welten von Astronomie und Nautik ein.

„Ich spüre keiner geheimnisvollen oder gefährdeten Art nach: Ich erkunde mich selbst in einer Art semi-wissenschaftlichen Untersuchung, einer Tiefseestudie der Seele.“

Am Ende des Buches ist Amy seit zwei Jahren trocken und der Leser beeindruckt und auch schlauer: Ich weiß nun, wie selten ein Wachtelkönig ist und wie er aussieht …

Liptrot ist eine ganz wunderbare Erzählerin und es ist ein Roman, bei dem sich Autobiographisches aufs Feinste in Literatur verwandelt. Sie hat ein großes Talent Bilder zu erschaffen, die alles lebendig werden lassen. So, als wäre ich selbst am Strand im Wind mit dabei … Ein Leuchten! Fröhliche Tänzer – wie dort oben die Nordlichter genannt werden.

Amy Liptrots Roman erschien bei btb. Er wurde übersetzt von Bettina Münch. Vorne ist eine Karte eingearbeitet, auf der man Amys Wege auf den Orkneys verfolgen kann. Eine Leseprobe gibt es hier.

14 Gedanken zu “Amy Liptrot: Nachtlichter btb Verlag

  1. Das Buch habe ich auch noch vor mir, und ich freue mich drauf, jetzt umso mehr, wo ich weiß, dass es Dir schon mal gefallen hat. 🙂 Viele Grüße und einen guten Wochenstart!

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  2. Wunderbares Cover!

    Alkoholsucht kommt ja nicht von nirgendwo – es muß da ein lebensgeschichtliches Thema sein.
    Natur kann helfen, die Sucht zu überwinden, das sicher – was ist aber mit der Aufarbeitung? Und wenn eine stattgefunden hat, war sie heilsam?
    Diese Fragen hätte ich an das Buch 🙂

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    • Ich wollte natürlich nicht alles gelesene verraten. Aber da findet sich einiges, was die Aufarbeitung und den Hintergrund angeht. Zumal schon die 12-Schritte-Programm und hernach das Schreiben, der Schreibprozeß wohl auch zur Bearbeitung zählen …

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      • Im günstigsten Fall ist es das!
        Ich wundere mich nur immer wieder, wie jemand aus einer definitiven Sackgasse wie ein frischer, junger Phönix kommen kann.
        Verzeih mein erneutes Draufeingehen.
        Danke.

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      • Das weiß ich gar nicht, ob das bei Liptrot so ist. Ihr Leben ist ja seitdem weitergegangen. Ob sie immer wie ein Phönix weiterleben wird, wissen wir nicht. Ich denke auch, dass es bei jedem Menschen anders ist. Es gibt ja den schönen Begriff Resilienz. Manche haben sie mehr, manche weniger bis gar nicht. Aber ich weiß schon, was du meinst …

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