Wie ich mich freue über dieses neue Buch von Jon Fosse, heißt der Titel des Buches doch „Ein Leuchten“. Und das passt ja zu meinem Blog einfach wunderbar. Wie meine Leser hier wissen, bekommen meine liebsten Bücher in der Besprechung immer dieses besondere Lob: Ein Leuchten! Und schon vor dem Lesen wusste ich, dass es bei diesem Buch wieder so sein wird. Jon Fosse hat in diesem Jahr den Literaturnobelpreis erhalten, worüber ich mich als langjähriger Fan des großen norwegischen Autoren sehr freue.
Es ist ein sehr schmaler Band. Vielleicht könnte man es eine Novelle nennen. Aber überraschendes und ungeheures oder vielmehr Surreales oder zumindest Traumhaftes passiert ja eigentlich durch den ganzen Text hindurch, wenngleich der Schluss schon ein wenig zu erwarten ist. Fosses Themen sind ja immer die gleichen, wie auch bei Handke. Er umkreist sie mit wenigen Worten und Sätzen, mit Wiederholungen und Verdichtungen. Seine Sprache ist einmalig. Man erkennt sie unter Tausenden wieder.
Der namenlose Held fährt aus Langeweile, die er eigentlich gar nicht kennt, mit dem Auto herum. Das Spiel, einmal rechts und dann wieder links abzubiegen ohne Ziel führt ihn schließlich in eine abgelegene Gegend. Mit dem Auto bleibt er auf einem Feldweg stecken. Vor ihm liegt ein Wald und er geht den Pfad entlang hinein, um Hilfe zu finden. Es beginnt zu schneien, es wird kalt, es wird dunkel …
„Ich gehe. Ich gehe einfach geradeaus. Ich denke, das geht im Leben nicht gut. Ich werde erfrieren. Wenn kein Wunder geschieht, erfriere ich. Und vielleicht bin ich genau darum in den Wald gegangen, weil ich erfrieren will. Aber das will ich ja nicht. Ich will ja nicht sterben. Oder will ich genau das. Aber warum will ich sterben.“
Was dem Protagonisten widerfährt, könnte tag- oder nachtgeträumt sein. Es kann ein bewusstseinserweiterndes Erlebnis sein. Es kann eine Meditation sein. Es kann eine Nahtoderfahrung sein, jedenfalls eine Begegnung mit dem Tod. Aber eben auch gleichzeitig mit dem Licht, etwa dem Leuchten einer Engelsgestalt. Es kann ein spirituelles Ereignis sein, ein Zeichen Gottes, was meiner Ansicht nach am besten passt, denn Fosse ist religiös, er trat zum katholischen Glauben über.
„Und jetzt leuchtet die ganze Gestalt. Nein das begreife ich nicht. Es ist auch nicht zu begreifen, es ist etwas anderes, vielleicht etwas, das man nur erlebt und das nicht wirklich geschieht. Aber geht es an, dass man so etwas einfach erlebt.“
Wenn meine Deutung des Themas Tod stimmt, so schildert Fosse das Sterben als eine eher wundersame aufrechte und lichtvolle Erfahrung im tiefverschneiten Wald. Nur anfangs ängstigend, bald behütend und stärkend begleitet und gestützt durch ein engelhaftes lichtes Wesen. Und bald schon losgelöst von aller Schwere schwebend in Stille und Leere. Ein befreiendes Leuchten!
Der Roman erschien im Rowohlt Verlag. Wie alle Romane Fosses, wurde auch dieser von Hinrich Schmidt-Henkel übersetzt. Eine Leseprobe gibt es hier. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar. In Bälde nach Lektüre folgt auch die Besprechung des letzten Bands der Heptalogie Ein neuer Name.
Hier geht es zu weiteren Besprechungen von Fosses Büchern: